Die heimliche Lust
denke, niemand möchte hören, daß Frauen tatsächlich hingehen und sich holen, was sie brauchen. Daß sie tatsächlich aktiv werden und Wege suchen, um emotional und sexuell für sich selbst zu sorgen. Nur wenn ihr Typ sie so mißhandelt hat, daß sie weglaufen mußte, um ihr eigenes Leben zu retten, verzeiht man ihr, daß sie sich das herausnimmt. Niemand regt sich darüber auf, wie Männer Frauen behandeln; wenn aber Frauen auf diese Behandlung reagieren, in einer diffusen Weise reagieren und nicht sicher sind, warum, aber sich irgendwie schützen wollen, irgendwo ihr Vergnügen herkriegen wollen, dann ist man über sie entsetzt.
DH: Wollen Sie damit sagen, daß Frauen, die fremdgehen, auf schlechte Behandlung reagieren?
CC: Ich sage, daß es die Gesellschaft nur dann akzeptiert, wenn S1e auf schlechte Behandlung reagieren, wenn sie dazu gezwungen werden. Niemand kann die Vorstellung akzeptieren, daß sich eine Frau aus Spaß an der Freud’ einen Geliebten nimmt, so wie sich ein Mann eine Geliebte nimmt.
DH: Sind Sie zu Ihrem eigenen Seitensprung gezwungen worden?
CC: Nein, nicht im traditionellen Sinne. Ich kann nicht behaupten, ich hätte einen so schrecklichen Mann, daß ich mir jemand anderen suchen mußte, oder eine so schreckliche Ehe, daß ich mir einen neuen Mann anstelle des alten suchen mußte. Ich wurde durch etwas in mir dazu getrieben; ein Gefühl, daß ich ohne Nähe sterben müßte.
Ich kann aber den Sex bekommen, den ich brauche, und auch die Nähe. Ich meine damit Gespräche, Spielen. Ist Sex nicht bloß ein Spiel der Erwachsenen, Interaktion? Nur nicht in meiner Ehe! Ich stehe also vor der Wahl, ob ich die Ehe beenden und versuchen soll, die vollkommene Ehe mit monogamem Sex zu suchen. Kann ich dieses erstarrte Ehegefühl loswerden, einfach, indem ich mit jemand anderem schlafe? Oder werde ich es nur durch Scheidung los, wenn ich danach versuche, der nächsten Beziehung dasselbe alte Trugbild überzustülpen? Das versuchen die meisten Leute, aber sie scheitern, denn zweite Ehen sind, statistisch betrachtet, noch schlechter. Meine Alternative war, meine Ehe zu erhalten, und mir gleichzeitig Sex zu verschaffen. Insofern wurde ich tatsächlich zu dieser Entscheidung getrieben, aber durch das Leben, durch mein Leben.
DH: Und wie fühlen Sie sich jetzt?
CC: Ich habe mich noch nie so gut gefühlt, und das heißt etwas, entweder über das Arrangement oder den Sex oder über meine neue Sichtweise, wie ich bekommen kann, was ich will. Ich bin weniger abhängig von Martin, und ich fühle mich glücklich, morgens, wenn ich aufwache. Ich fühle mich wieder sexy. Ich habe das Gefühl, gut auszusehen. Ich habe das Gefühl, endlich die Kontrolle über meine reale Situation übernommen und sie so verändert zu haben, daß sie mir zusagt. Wenn sie nicht ideal ist — und sicherlich ist sie, am Mythos gemessen, nicht ideal — , na und? Ich fühle mich besser. So stimmt es für mich.
9. Das Verhältnis
»...Wenn ich nicht handeln kann ohne meine eigene Billigung — und ich muß handeln, denn ich habe mich verändert, ich bin unfähig, länger tatenlos zu bleiben — , dann muß ich mir eine Moral zulegen, die mich freispricht.«
Margaret Drabble, The Waterfall
Eine Ehebrecherin zu werden, ist nicht leicht. Allein schon die erfolgreiche Bewältigung dieser absurden Logistik! Wann kann sie ihn treffen und wo? Wie kann er Kontakt mit ihr aufnehmen oder sie mit ihm? Was soll sie ihrem Mann sagen? Ihren Kindern? Wo kann sie ihnen gegenüber behaupten, sich aufzuhalten? Jede Betroffene muß lernen, perfekt zu planen. Wenn Frauen all das schaffen und auch mit den noch viel komplexeren Emotionen zurechtkommen, beginnen sie, sich kompetent und selbstsicher zu fühlen — gleichzeitig erschreckend außer Kontrolle und seltsamerweise durchaus Herrin der Situation.
Und dann fängt dieses verbotene Experiment an, überraschend lohnend zu werden. Es gibt keine gesellschaftlichen Regeln, die es steuern, kein Schema für seine Entwicklung, keinen Präzedenzfall, der einem das Verhalten vorschreibt, keine definierten Ziele für einen Seitensprung. Weil er vorübergehend ist und kein vorhersagbares Resultat hat, ist die Frau frei, etwas Außergewöhnliches zu schaffen, eine sexuelle Beziehung, in der sie keine vorgeschriebene Rolle hat. Weder kann sie in die idealisierte Rolle der Ehefrau schlüpfen, noch der Mann in die des Ehemannes. Da kein sexuelles Drehbuch ihre Handlungen steuert, beginnt sie, etwas Neues zu
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