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Die heimliche Päpstin

Die heimliche Päpstin

Titel: Die heimliche Päpstin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frederik Berger
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tauchte das Bild meiner Mutter auf, wie man sie, halb totgeschlagen und geschändet, in einen Pferch trieb, um sie in die Sklaverei zu verkaufen. Einen Augenblick schoß mir der Gedanke durch den Kopf, sie könnte womöglich noch leben – falls sie, wie ich, einen Besitzer gefunden hatte, der sie nicht wie ein Stück Vieh behandelte, sondern wie ein menschliches Wesen.
    Und dann bedrängten mich, lebhafter und schmerzhafter denn je, die Erinnerungen an die Ereignisse auf dem Schiff, ich spürte schließlich Yussufs Hand, ja, ich roch ihn – und mußte mich dort, wo ich stand, in einem unabweisbaren Anfall übergeben.
    Theophylactus sah sorgenvoll zu mir herüber und rief Theodora herbei, die während der letzten Tage aus Rom gekommen war, um den Schlußakt des Kampfes mitzuerleben. Sie hatte auf ihre Anwesenheit ebenso bestanden wie ich, weil auch sie die ungestillten Rachegefühle befriedigen wollte.
    Schließlich begann an einem Julitag bei Sonnenaufgang mit einem Pfeilhagel, der bald ebenso beantwortet wurde, der Sturm auf das Lager. Unsere Bogenschützen, die sich hinter ihre langen Schilde duckten, rückten langsam vor, bis ein unerwarteter Ausfall der sarazenischen Reiterei Hunderte von ihnen niedermachte. Alberich griff mit seiner berittenen Truppe ein und ließ sich in seinem Drang, zu kämpfen und womöglich schon früh eine Entscheidung herbeizuführen, bis kurz vor ein Tor locken, wo ein Pfeilhagel seiner Truppe, Männern wie Pferden, schwere Verluste zufügte. Er selbst erlitt einen Streifschuß, der ihn zum Glück nur leicht verletzte, nachdem sein Plattenpanzer die Spitze des Pfeils abgelenkt hatte. Weil wir uns auf einen Ausfall besser vorbereiten wollten, geschah nicht mehr viel an diesem Tag.
    Am nächsten Morgen stürmte Alberich, noch voller Wut über den ›Kratzer‹, mit seinen Reitern bis vor das Haupttor des Lagers, mußte sich aber erneut zurückziehen.
    Papst Johannes schlug vor, die Sarazenen auszuhungern, erntete indes bei den meisten Heerführern murrenden Protest. Untätigkeit untergrabe die Moral der Truppe, außerdem würden die Soldaten in den heißen Sommermonaten von Mückenschwärmen geplagt und vermutlich bald von dem tödlichen Sumpffieber heimgesucht.
    Theophylactus hielt mehr davon, die Sarazenen durch tägliche Attacken zu zermürben und dabei zugleich nach ihrer Schwachstelle zu suchen, dann einen Angriff an der gegenüberliegenden Seite vorzutäuschen, um sie abzulenken. Wenn dies gelinge, solle der Schwachpunkt mit allen Kräften gestürmt werden.
    Tatsächlich wehrten die Sarazenen zwei Monate alle Versuche ab, das Lager einzunehmen, und die Wut auf unserer Seite wuchs. Dann jedoch, Ende August, kam der Tag, an dem es uns gelang, eine ganze Palisadenreihe niederzureißen. Alberich stürmte mit seiner Reiterei in diese Bresche und metzelte alles nieder, was sich ihm in den Weg stellte. Theophylactus' Fußsoldaten waren nicht mehr zu halten, und auch die Reiterei, die der Papst befehligte, ließ sich nicht zügeln. Das Geschrei der Männer, das Wiehern der Pferde und das Dröhnen ihrer Hufe waren betäubend. Die Angreifer drängten in die immer breiter werdende Bresche, rissen schließlich die Tore von innen auf und ergossen sich unaufhaltsam in das Lager.
    Ich saß neben Theodora auf dem Rücken meiner Fuchsstute und beobachtete das Geschehen, soweit ich vor lauter Staub, bald hochlodernden Flammen und sich ausbreitendem Rauch etwas erkennen konnte. Immer wieder umschossen uns Lichtblitze von spiegelnden Klingen, Streitäxte sausten nieder, Pferde bäumten sich auf, schlugen wild aus, Reiter wurden aus dem Sattel gerissen, fielen in einen hochgereckten Speer.
    Die Erregung, in die mich das Kampfgeschrei trieb, wurde derart übermächtig, daß es mich losriß. Ich gab der Stute die Sporen und trieb sie an, dem Erobererstrom zu folgen. All dies lief ohne den Willen ab, dem ich befehligen konnte. Ich hörte mich schreien und sah erschrockene Fußsoldaten zur Seite weichen. Und dann ritt plötzlich Theodora neben mir, nein, sie ritt nicht, sondern stand auf dem Sattel. Es war wie im Hippodrom zu Konstantinopel, wo die Akrobatinnen auf dem Rücken der Pferde ihre Kunststücke vorführten.
    Theodoras Schleier war davongeflogen, ihre Haare hatten sich geöffnet und wehten wie die Mähne ihres braunen Wallachs. Ich spürte, daß auch meine Spangen sich gelöst hatten. Und eh wir uns versahen, befanden wir uns mitten im Getümmel. Da hackten die Schwerter aufeinander, daß die

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