Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Heiratsschwindlerin

Die Heiratsschwindlerin

Titel: Die Heiratsschwindlerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sophie Kinsella
Vom Netzwerk:
Kopf traf. Meistens war sie sich ihrer Gefühle ja nicht mal selbst sicher. Ihre Empfindungen glichen den Farben auf einer Palette, manche befanden sich nur kurz darauf, andere lange, aber alle verschmolzen sie zusammen zu einem untrennbaren Ton. Bei Simon dagegen waren alle Empfindungen wie eine Reihe Bauklötze eindeutig voneinander abgesetzt. Wenn er glücklich war, lächelte er. Wenn er wütend war, runzelte er die Stirn.
    »Lass mich raten, was du gerade denkst«, hauchte Simon ihr ins Haar. »Du wünschst dir, wir wären heute Abend nur zu zweit?«
    »Nein«, erwiderte Milly ehrlich. Sie wandte sich zu ihm um, sah ihm direkt in die Augen und roch seinen vertrauten Duft. »Ich dachte daran, wie sehr ich dich liebe.«
    Es war bereits halb zehn, als Harry Pinnacle den Raum betrat. »Entschuldigt bitte«, sagte er. »Das ist unverzeihlich von mir.«
    »Harry, das ist total verzeihlich!«, rief Olivia, die inzwischen bei ihrem fünften Glas Champagner angelangt war. »Wir wissen doch, wie das ist!«
    »Ich nicht«, murmelte Simon.
    »Und es tut mir leid wegen vorhin«, meinte Harry zu James. »Aber es war ein wichtiger Anruf.«
    »Schon in Ordnung«, sagte James steif. Es entstand eine kurze Pause.
    »Na, dann wollen wir mal«, sagte Harry. Er wandte sich höflich an Olivia. »Nach dir.«
    Sie begaben sich langsam durch die Halle ins Esszimmer.
    »Alles in Ordnung mit dir, Schatz?«, fragte James Milly mit gesenkter Stimme.
    »Klar«, erwiderte sie mit einem angespannten Lächeln.
    Aber das konnte nicht sein, dachte James. Er hatte beobachtet, wie sie ein Glas Champagner nach dem anderen hinunterstürzte, als sei sie verzweifelt, wie sie jedes Mal zusammenfuhr, wenn das Telefon klingelte. Hatte sie es sich anders überlegt? Er beugte sich zu ihr.
    »Denk dran, Schatz«, sagte er leise. »Du musst das nicht durchziehen, wenn du nicht willst.«
    »Was?« Milly riss den Kopf hoch, als sei sie gestochen worden, und James nickte beruhigend.
    »Wenn du dich eines anderen besinnst, was Simon anbelangt – jetzt oder auch später noch –, dann mach dir keine Sorgen. Wir können das Ganze abblasen. Kein Problem.«
    »Ich möchte nichts abblasen!«, zischte Milly. Plötzlich sah sie aus, als sei sie den Tränen nahe. »Ich möchte Simon heiraten! Ich liebe ihn.«
    »Gut, dann ist ja alles in Ordnung.«
    James lehnte sich auf seinem Stuhl zurück, warf einen Blick zu Simon hinüber und verspürte eine unsinnige Irritation. Der Junge hatte alles. Gutes Aussehen, einen begüterten Hintergrund, eine aufreizend ruhige und ausgeglichene Persönlichkeit. Ganz offensichtlich betete er Milly an; er war höflich zu Olivia, er war aufmerksam gegenüber der restlichen Familie. Man konnte nicht klagen. Und dabei, gestand James sich ein, war er heute Abend in der Laune zu klagen.
    Er hatte einen grässlichen Arbeitstag hinter sich. Die Maschinenbaufirma, in deren Finanzabteilung er arbeitete, war in den letzten Monaten umstrukturiert worden. Endlose Gerüchte hatten an diesem Tag in der Ankündigung gegipfelt, unter den jüngeren Angestellten seiner Abteilung würden vier Arbeitsstellen gestrichen. Die Nachricht sollte vertraulich sein, aber sie hatte offensichtlich die Runde gemacht. Als er das Büro verließ, saßen noch alle pflichtbewusst über ihre Schreibtische gebeugt. Manche hatten ihren Kopf gesenkt, andere schauten mit furchtsamen Augen auf, als er vorbeiging. Jeder Einzelne von ihnen hatte eine Familie und eine Hypothek. Keiner konnte es sich leisten, seinen Job zu verlieren. Keiner von ihnen verdiente es.
    Als er in Pinnacle Hall eintraf, fühlte er sich durch das Ganze unbeschreiblich deprimiert. Beim Parken des Autos beschloss er, auf Olivias Frage, wie sein Tag gewesen sei, einmal die Wahrheit zu sagen. Vielleicht nicht gleich alles, aber genug, um ihr die Augen zu öffnen, mit welcher Last er sich herumschlagen musste. Doch sie hatte sich nicht danach erkundigt – und ein gewisser Stolz hatte ihn davon abgehalten, mit seiner Geschichte herauszurücken. Er wollte nicht, dass seine Frau sich ihm wie einem weiteren Wohltätigkeitsprojekt zuwandte. Ausgesetzte Ponys, behinderte Kinder, ein unglücklicher Ehemann.
    Inzwischen sollte er eigentlich an Olivia gewöhnt sein, dachte James. Er sollte daran gewöhnt sein, dass sie sich nicht sonderlich für ihn interessierte, dass ihr Leben voll anderer Sorgen war, dass sie den Problemen ihrer geschwätzigen Freundinnen mehr Aufmerksamkeit schenkte, als sie ihm je geschenkt hatte.

Weitere Kostenlose Bücher