Die Heiratsschwindlerin
bitte«, sagte Esme, die wieder an ihrem Bett erschienen war. »Hättest du gern einen Kaffee?«
Milly nickte und nahm das Telefon.
»Hi«, sagte sie mit kratziger Stimme.
»Hi«, ertönte Isobels Stimme am anderen Ende der Leitung. »Alles okay mit dir?«
»Ja, ich schätze schon.«
»Hat Simon sich schon gerührt?«
»Nein.« Milly sprach schneller. »Wieso? Hat er …«
»Nein«, sagte Isobel rasch. »Nein, hat er nicht. Ich habe mich nur gefragt. Für den Fall.«
»Oh. Tja, nein. Ich habe geschlafen. Ich habe mit niemandem gesprochen.«
Eine Pause trat ein. Milly sah zu, wie Esme die Vorhänge öffnete und sie mit dicken, geflochtenen Kordeln zurückband. Es war ein strahlender, klirrend kalter Tag. Esme schenkte Milly ein Lächeln und verließ dann auf leisen Sohlen den Raum.
»Isobel, es tut mir wirklich leid«, sagte Milly langsam. »Dass ich dich da so mit reingeritten habe.«
»Oh, das«, sagte Isobel. »Keine Sorge. Das macht nichts.«
»Ich bin einfach durchgedreht. Ich hab bloß – na ja. Du weißt schon.«
»Natürlich. Ich hätte genau dasselbe gemacht.«
»Nein, bestimmt nicht.« Milly grinste schwach. »Du bist zigmal beherrschter als ich.«
»Na, trotzdem, mach dir keine Sorgen. Es war kein Problem.«
»Ehrlich? Hat Mummy dir nicht den ganzen Tag Vorträge gehalten?«
»Sie hatte gar nicht die Zeit dazu. Wir haben viel zu viel zu tun.«
»Oh.« Milly runzelte die Stirn. »Womit?«
Stille.
»Damit, die Hochzeit abzublasen«, erwiderte Isobel schließlich kummervoll.
»Oh«, sagte Milly wieder. Ihr wurde schwer ums Herz. »Oh, verstehe. Natürlich.«
» O Gott, Milly. Tut mir leid. Ich dachte, das wäre dir klar.«
»War’s auch. Klar. Natürlich müsst ihr sie abblasen.«
»Deshalb rufe ich nämlich auch an. Ich weiß, es ist schrecklich, das gerade jetzt zu fragen. Aber gibt es noch jemanden, den ich anrufen muss? Jemanden, der nicht im roten Buch steht?«
»Weiß nicht.« Milly schluckte. »Wem hast du’s denn schon gesagt?«
»Etwa der Hälfte unserer Gäste. Bis zu den Madisons. Harrys Leute übernehmen seinen Teil.«
»Wow.« Milly kam sich dumm vor, und ihr stiegen Tränen in die Augen. »Ihr seid ja wirklich von der schnellen Truppe!«
»Geht nicht anders! Manche hätten sich ja heute schon auf die Reise gemacht. Die mussten doch gleich Bescheid bekommen.«
»Stimmt.« Milly holte tief Luft. »Ich steh nur mal wieder auf der Leitung. Tja. Wie geht ihr vor?«
»Wir gehen die Liste in dem roten Buch durch. Alle … alle haben es wirklich nett aufgenommen.«
»Was erzählt ihr ihnen denn?« Milly wand das Betttuch um die Finger.
»Wir sagen, du seist krank. Wir wussten nicht, was wir sonst sagen sollten.«
»Kaufen sie euch das ab?«
»Keine Ahnung. Ein paar schon.«
Schweigen.
»Okay«, sagte Milly schließlich. »Also, wenn mir noch jemand einfällt, ruf ich an.«
»Wann kommst du wieder heim?«
»Weiß nicht.« Milly schloss die Augen und dachte an ihr Zimmer zu Hause. Geschenke und Karten überall, der Koffer für die Flitterwochen aufgeklappt am Boden, das Brautkleid, das in der Ecke hing, in Tuch gehüllt wie ein Geist. »Noch nicht. Erst wenn …«
»Klar«, erwiderte Isobel nach einer Pause. »Das verstehe ich. Also, hör zu. Ich komm mal auf einen Sprung vorbei. Wenn ich hier fertig bin.«
»Isobel … danke. Dass du das alles tust.«
»Keine Ursache. Irgendwann wirst du für mich das Gleiche tun.«
»Ja.« Milly lächelte matt. »Denke schon.«
Sie legte auf. Als sie aufsah, entdeckte sie Esme mit einem Tablett in der Tür, die sie nachdenklich betrachtete.
»Kaffee.« Sie stellte es ab. »Um zu feiern.«
»Feiern was?«, fragte Milly ungläubig.
»Dein Entrinnen.« Esme kam mit zwei Porzellanbechern zu ihr. »Dein Entrinnen vor der Ehe.«
»Es kommt mir gar nicht wie ein Entrinnen vor.«
»Natürlich nicht!«, rief Esme aus. »Noch nicht. Aber das kommt noch. Denk doch nur mal nach, Milly – du bist nicht länger gebunden. Du kannst tun und lassen, was du willst. Du bist eine unabhängige Frau!«
»Mag sein.« Milly starrte kummervoll in ihren Kaffee.
»Denk nicht so viel nach, Schatz! Trink deinen Kaffee, und schau dir irgendetwas Nettes im Fernsehen an. Und dann gehen wir essen.«
Bis auf ein paar vereinzelte Männer, die zu ihrem Kaffee Zeitung lasen, war das Restaurant leer. Rupert sah sich verlegen um und überlegte, wer von den Gästen Martin sein mochte. Schwarze Jeans, hatte er gesagt. Aber schwarze Jeans trugen die
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