Die Heiratsschwindlerin
hat er seine Eltern gehasst.«
»Sie haben sich zusammengerauft. Mit Allans Krankheit hat sich natürlich alles geändert. Als sie herkamen, habe ich sie kennen gelernt. Es waren anständige, mitfühlende Leute.« Er sah Rupert an. »Sind Sie ihnen je begegnet?«
»Nein. Nie.«
Er schloss die Augen und stellte sich die beiden ältlichen Personen vor, die Allan ihm beschrieben hatte, stellte sich vor, wie Allan in eine Stadt, die er immer gehasst hatte, zurückgebracht wurde, um zu sterben. Ein frischer Schmerz überflutete ihn, und plötzlich fühlte er sich einem Zusammenbruch nahe.
»Denken Sie es nicht«, riet Martin.
»Was?« Rupert öffnete die Augen.
»Was Sie gerade denken. Was alle denken. Wenn ich doch nur gewusst hätte, dass er stirbt. Natürlich hätten Sie sich dann anders verhalten. Logisch. Aber Sie haben es nicht gewusst. Wie hätten Sie es denn wissen sollen?«
»Was …« Rupert leckte sich die Lippen. »Was hat er über mich erzählt?«
»Er hat gesagt, dass er Sie liebt. Er hat gesagt, er hätte gedacht, Sie lieben ihn auch. Aber er war nicht mehr wütend.« Martin beugte sich vor und ergriff Ruperts Hand. »Es ist wichtig, dass Ihnen das klar ist, Rupert«, meinte er ernst. »Er hatte keine Wut auf Sie.«
Ein Kellner erschien plötzlich mit zwei Tassen Kaffee am Tisch.
»Danke«, sagte Martin, ohne Ruperts Hand loszulassen. Rupert bemerkte, wie der Blick des Kellners über sie beide glitt, und versteifte sich unwillkürlich.
»Hätten Sie sonst noch einen Wunsch?«, erkundigte er sich.
»Nein, danke«, sagte Rupert. Er sah in die freundlichen Augen des Kellners und wäre am liebsten im Erdboden versunken. Hätte am liebsten irgendwo Schutz gesucht. Alles geleugnet. Doch stattdessen zwang er sich, seine Hand ruhig in Martins zu lassen. Als wäre es normal.
»Ich weiß, das ist hart für Sie«, sagte Martin, als der Kellner wieder fort war. »In jeder Hinsicht.«
»Ich bin verheiratet«, erwiderte Rupert grob. »So hart ist das.« Martin nickte bedächtig.
»So was Ähnliches hat sich Allan schon gedacht.«
»Ich nehme an, er hat mich verachtet.« Rupert starrte in seine Kaffeetasse. »Und Sie tun das wohl auch.«
»Nein«, sagte Martin. »Sie verstehen mich falsch. Allan hat gehofft , dass Sie verheiratet sind. Er hat gehofft, dass Sie mit einer Frau zusammen sind und nicht …« Rupert blickte auf.
»Und nicht mit einem Mann?« Martin nickte.
»Er hat sich den Kopf zermartert, ob er mit Ihnen in Kontakt treten soll. Er wollte nichts ins Wanken bringen, falls Sie mit einer Frau glücklich waren. Aber er fürchtete sich auch vor der Entdeckung, Sie könnten mit einem anderen Mann zusammen sein. Seine Wunschvorstellung war, dass Sie im Falle eines Sinneswandels zu ihm zurückgekommen wären.«
»Natürlich wäre ich das.« Ruperts Stimme bebte leicht. »Er wusste das. Er hat mich gekannt wie kein anderer.«
Martin zuckte diplomatisch mit den Achseln.
»Ihre Frau …«
»Meine Frau?«, rief Rupert. Er sah Martin gequält an. »Meine Frau kennt mich nicht! Wir haben uns kennen gelernt, sind ein paarmal essen gegangen, wir haben zusammen Urlaub gemacht, geheiratet. Ich sehe sie am Tag eine Stunde, wenn überhaupt. Mit Allan war es …«
»Intensiver.«
»Es war der ganze Tag und die ganze Nacht.« Rupert schloss die Augen. »Es war jede Stunde und jede Minute und jeder einzelne Gedanke, jede Befürchtung, jede Hoffnung.«
Stille trat ein. Als Rupert die Augen wieder öffnete, zog Martin gerade einen Brief aus seiner Tasche. »Allan hat Ihnen den hier hinterlassen«, erklärte er. »Falls Sie je nach ihm suchen.«
»Danke.« Rupert nahm den Briefumschlag und sah ihn eine Weile schweigend an. In Allans schöner Handschrift stand dort sein Name. Er konnte beinahe Allans Stimme hören, die mit ihm sprach. Er zwinkerte ein paarmal, dann steckte er den Brief in seine Jackentasche. »Haben Sie ein Handy?«
»Sicher.« Martin griff in seine Tasche.
»Es gibt da noch jemanden, der davon wissen muss.« Er tippte eine Nummer ein, wartete einen Augenblick und schaltete das Handy wieder aus. »Besetzt.«
»Wem wollen Sie es denn erzählen?«, wollte Martin wissen.
»Milly. Das Mädchen, das er geheiratet hat, um in England bleiben zu können.«
Martin runzelte die Stirn.
»Allan hat mir von Milly erzählt. Aber sie müsste eigentlich Bescheid wissen. Er hat ihr geschrieben.«
»Tja, falls dem so war, dann hat der Brief sie nie erreicht«, erklärte Rupert. »Sie ist darüber
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