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Die heldenhaften Jahre der Kirschkernspuckerbande: Roman (German Edition)

Die heldenhaften Jahre der Kirschkernspuckerbande: Roman (German Edition)

Titel: Die heldenhaften Jahre der Kirschkernspuckerbande: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gernot Gricksch
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reingekommen?«
    Die ältere Frau, die offenkundig über unser Erscheinen vorgewarnt worden war, erhob sich lächelnd und schüttelte uns die Hand. Sie stellte sich als Mrs. Pattinger vor, Presseattachée der Botschaft. Die junge Dame, die sich nicht erhob, als wir ihr alle nacheinander die Hand schüttelten, erwies sich als Mrs. Landhurst (»Call me Trixie«), die Tochter des Botschafters und, wie sie uns strahlend erklärte, »a big fan of the theatre!«.
    »Das stimmt. Trixie hat sich schon fünfmal König der Löwen angeschaut«, sagte Sven, und nichts in seinem Gesicht ließ auch nur einen Funken Ironie erkennen.
    »Yes, I’m very much into culture«, brüstete sich Trixie.
    Mrs. Pattinger bat Jörn, Arne und mich, Platz zu nehmen, und wies einen der beiden Soldaten, die immer noch im Raum standen, an, draußen Bescheid zu sagen, dass man uns doch bitte drei weitere Kaffee bringen solle. Die Männer, die mit viel Sorgfalt zum Töten ausgebildet und nun ungebührlicherweise zum Kaffeeholen abkommandiert wurden, waren sichtlich beleidigt, gehorchten aber.
    »Bist du okay?«, fragte der besorgte Jörn seinen Mann. »Wir dachten, du bist verhaftet worden.«
    »Nur ein Missverständnis«, erklärte Mrs. Pattinger.
    »Ja, alles bestens«, bestätigte Sven.
    Erneut wies nichts an seinem Gesichtsausdruck darauf hin, dass er etwas anderes meinen könnte, als er sagte. Doch ich kannte Sven seit dem Kindergarten und wusste, dass es kaum einen Menschen gab, auf den die Aussage »Stille Wasser sind tief« so sehr zutraf wie auf Sven. Und an Jörns skeptischem Blick erkannte ich, dass auch er von Svens Untiefen wusste.
    »Mr. Niederweg hatte gehofft, wir könnten behilflich sein bei seinem … Dilemma mit … what’s his name?«, erklärte Mrs. Pattinger.
    »Mahmoud Armat«, sagte Sven.
    »Yes. Armat. Aber ich fürchte, wir haben nicht die Möglichkeit zu helfen«, fuhr die mütterliche Pressesprecherin fort. »Es geht um … National Security.«
    Trixie, die nicht als das Dummchen dastehen wollte, das sie offenkundig war, versuchte, sich ebenfalls auf Deutsch an dem Gespräch zu beteiligen. »Ich habe Sven schon gesagt, there are … es gibt so viele good musicians. Er nicht braucht diesen Arab guy für seine Show … Play. Ich kenne super Musiker, right here in Hamburg …«
    Sven, der weiterhin ein erschreckend glaubwürdiges Lächeln beibehielt, erhob sich. Jörn stand ebenfalls auf und legte seinem Mann die Hand auf den Rücken. Sven zuckte zusammen.
    »Was ist?«, fragte der besorgte Jörn.
    »Mein Rücken«, sagte Sven beiläufig. »Die Herren in Uniform haben mich ein wenig grob angepackt.«
    »Wie ich schon sagte, sorry about that«, sagte Mrs. Pattinger, allerdings ohne aufrichtiges Bedauern. Zu mehr als einer Floskel reichte es bei ihr nicht. Dass die Jungs in Uniform jemanden herumschubsten und verletzten, schien für sie in die Kategorie Kavaliersdelikt zu fallen.
    Sven lächelte ihr tatsächlich großzügig verzeihend zu.
    »Okay, dann wollen wir den höflichen Firlefanz doch mal bleiben lassen und Klartext reden«, mischte sich Arne plötzlich resolut ein, nachdem er sich die ganze Zeit im Hintergrund gehalten hatte. Da er gerade eine potenziell großartige Story vor seinen Augen verpuffen sah, wandte er sich direkt an Mrs. Pattinger: »Wenn ich das richtig sehe, haben Sie einen deutschen Staatsbürger ohne Not und mit unangemessener Gewalt …«
    Sven unterbrach ihn: »Nein, nein. Das war wirklich nur ein Missverständnis.«
    Arne verzog wütend den Mund, sprach aber nicht weiter. Wenn das Opfer nicht bereit war, seine Geschichte zu erzählen, war die Sache geplatzt. Da war kein Artikel mehr drin. Verärgert, aber ohnmächtig nahm Arne das selbstzufriedene Lächeln von Mrs. Pattinger zur Kenntnis, die mir die Hand schüttelte.
    »It was nice to meet you, Mr. …?«, sagte sie.
    »Müller«, sagte ich spontan.
    Ich war paranoid genug, um nicht meinen richtigen Namen zu nennen. Weiß der Geier, welche Schikanen die CIA bei meinem nächsten Flug in die USA für mich in petto hätte. Allerdings hätte mir als Schriftsteller wirklich ein originellerer Name als Müller einfallen müssen. Und dann fiel mir Trottel auch irgendwann ein, dass ich beim Betreten der Botschaft meinen Ausweis hatte vorzeigen müssen. Ich hatte mich völlig zum Affen gemacht.
    Als wir den Raum verließen, kam uns gerade eine Sekretärin mit einem Tablett voller Kaffeebecher entgegen. Arne griff sich im Vorbeigehen einen und nahm einen

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