Die heldenhaften Jahre der Kirschkernspuckerbande: Roman (German Edition)
noch nicht sicher, ob mich das für Frauen attraktiv macht oder wie ein Waschlappen erscheinen lässt …
Jörn und Sven trugen schwer, als sie hereinkamen.
Sven brachte drei Flaschen Champagner mit. »Die hab ich neulich bei einer Premierenfeier gemopst«, grinste er. »Sonst teilen hinterher noch die Fuzzis von der Kulturbehörde alles unter sich auf, was übrig bleibt.«
Jörn dagegen holte eine Torte aus einem Plastikkorb hervor. Ein monumentales, dreistöckiges Ding.
»Wow!«, rief Petra. »Was ist das denn für ein Geschoss?«
»Hab ich selbst gemacht«, sagte Jörn nicht ohne Stolz. »Nougat-Walnuss mit einer Himbeerfüllung. Ich lerne jetzt backen. Zeit genug hab ich ja.«
»Super, ich hoffe, du findest so schnell keinen Job«, sagte Dille taktloserweise, tippte dreist seinen Zeigefinger in die Torte und schleckte ihn ab. »Lecker«, befand er, und Petra konnte ihn gerade eben noch davon abhalten, den abgelutschten Finger erneut in die Torte zu stecken.
»Das ist ja ein richtiges Kunstwerk«, staunte Susann über die Torte.
Jörn lächelte stolz, doch sein Gesichtsausdruck entgleiste, als Sven ihm auf den Po klopfte und grinsend sagte: »Ja, mein kleiner Kuchenbäcker. Wie Doris Day sieht er aus, wenn er in der Küche steht. Er hat sogar eine Schürze um, wenn er backt.«
Als Sven sah, dass seine Bemerkung, die einen leicht gehässigen Unterton hatte, bei uns allen für eine gewisse Irritation sorgte, beeilte er sich zu sagen: »Hey, war nur ein Scherz.«
Er küsste Jörn demonstrativ, und Jörn lächelte. Allerdings wenig überzeugend.
»Okay«, rief Dille. »Hat jeder etwas zu trinken?«
Wir hoben unsere Gläser.
»Also, auf Bernhard«, sagte Dille.
»Auf Bernhard«, sagten wir.
»Auf ein neues Jahr«, sagte Sven.
»Und auf unsere Freundschaft«, sagte Susann.
»Wie läuft dein Buch?«, fragte Sven, als wir zwei Stunden später mit dem Essen fertig waren und uns an der Torte gütlich taten. Sie schmeckte so fabelhaft, wie sie aussah.
»Gut«, sagte ich.
»Mehr als gut. Es läuft super«, ergänzte Susann. »Das Buch geht schon in die dritte Auflage und die Kritiken … kein einziger Verriss! Der Verlag wartet schon sehnsüchtig auf die Fortsetzung.«
»Das ist ja toll«, sagte Jörn.
Ich nickte. Natürlich war es toll, aber es wäre noch toller gewesen, wenn ich diesen Erfolg mit einem Buch gehabt hätte, auf das ich stolz war. Mit meinem Kirschkerne -Buch zum Beispiel. Einem Buch, an dem mein Herz hing. Mein Krimi dagegen war bloß Dienst nach Vorschrift gewesen. Es war eine effektive, solide Arbeit – aber nichts, was meine Handschrift trug.
»Und ich hab es immer noch nicht gelesen«, seufzte Petra. »Ich komme einfach nicht dazu. Ich …«
Und wie auf Kommando ertönte der Schrei des kleinen Adrian durchs Babyphon.
Petra erhob sich seufzend. »Die mobile Tankstelle macht sich auf den Weg«, sagte sie und verschwand in Richtung Schlafzimmer.
Dille nahm sich ein weiteres Stück Torte.
»Und du?«, fragte ich Jörn. »Immer noch nichts Neues an der Job-Front?«
Jörn schüttelte den Kopf: »Sieht furchtbar mau aus. Ich bin jetzt vierundvierzig. Da winken die meisten Firmen schon bei der schriftlichen Bewerbung ab. Ich komme mir echt vor wie ein Frührentner.«
»Ach komm, das wird schon«, sagte Sven halbherzig.
Dille, dem ein geschätztes halbes Pfund Sahne am Kinn klebte, sprach mit vollem Mund: »Oder du schulst einfach auf Konditor um. Das ist deine Berufung! Alter, diese Torte ist wie Sex!«
»Klebrig und monströs?«, grinste Jörn.
»Na ja, so sollte guter Sex doch sein, oder?«, lachte Dille und versprühte dabei kleine Himbeerspuckefleckchen über den Tisch.
Ab 23 Uhr gingen unentwegt Böller, Knallfrösche und Raketen vor dem Haus in die Luft, und der kleine Adrian weinte wegen des bedrohlichen Krachs ohne Unterlass. Von Petra hatten wir also für den Rest der Silvesterfeier nichts mehr. Sie versuchte die ganze Zeit, den Kleinen zu beruhigen und zu trösten. Dille machte keinerlei Anstalten, seinen Sohn auch mal für ein halbes Stündchen zu übernehmen. Er schien es nicht einmal in Erwägung zu ziehen.
Dille hatte die blöde CD mit den aktuellen Partyhits gegen einen Oldie-Sampler ausgetauscht und ganz tief in die Kiste mit den ollen Kamellen gegriffen. Songs wie »Jeans On« und »Seasons in the Sun« und »It Never Rains in Southern California« rumpelten aus den Lautsprechern. Wir waren noch Kinder gewesen, als diese Lieder populär waren. Es war eine
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