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Die Henkerstochter und der K�nig der Bettler

Titel: Die Henkerstochter und der K�nig der Bettler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver P�tzsch
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Braumeisters.
    Sie hatten über Descartes debattiert, dessen Discours de la méthode er bereits als Student an der Ingolstädter Universität gelesen hatte. Besonders imponiert hatte Simon darin der revolutionäre Gedanke, dass es für jeden Sachverhalt eine rationale Erklärung geben musste. Angeheitert von den herrlich kühlen Weißbieren, die ihm der Franziskaner immer wieder kredenzt hatte, überlegte der Medicus, wie wohl Descartes den Regensburger Doppelmord gelöst hätte. Vermutlich hätte der Philosoph für jedes einzelne Rätsel eine einfache Antwort gefunden. Seufzend musste sich Simon eingestehen, dass er leider nicht über die göttliche Intelligenz eines Descartes verfügte. Trotzdem gab er sich Mühe, seine Gedanken zu ordnen, obwohl ihm immer wieder der verfluchte Alkohol in die Quere kam.
    Einen Vorteil brachte das viele Bier allerdings mit sich: Simon hatte erfolgreich seinen Streit mit Magdalena verdrängt. Erst jetzt kam der lästige Gedanke zurück, dass seine große Liebe womöglich noch immer bei diesem zwergwüchsigen Venezianer weilte. Vielleicht war sie aber auch zurück in die Katakomben gegangen und machte sich mittlerweile Sorgen um ihn, Simon. Geschah ihr nur recht! Was hatte Magdalena auch im Ankleidezimmer eines eitlen, modeverliebten Gecken verloren? Simon sah an seinemzerrissenen, nur notdürftig geflickten Rock hinunter, an den zerschlissenen Beinkleidern und den dreckverkrusteten Stiefeln; er musste sich eingestehen, dass er auch gerne mal einen halben Tag im Ankleidezimmer eines stinkreichen Gesandten verbracht hätte. Aber für ein unverheiratetes Frauenzimmer schickte sich das nun mal nicht! Und wer wusste schon, was die beiden zwischen all den Spiegeln, Tüchern und Kleidern sonst noch angestellt hatten? Es würde auf alle Fälle heute Abend ein klärendes Gespräch geben.
    Auf dem Domplatz traf Simon auf ratschende Marktweiber, schimpfende Pferdeknechte, ins Gespräch vertiefte Kirchgänger und blasiert dreinblickende Patrizier. Der Medicus ging davon aus, dass er in der bunten Menge nicht weiter auffallen würde. Trotzdem zog er den Kragen seines Mantels hoch und senkte den Blick. Er wollte den Bütteln nicht ein zweites Mal die Möglichkeit geben, ihn als den gesuchten Brandstifter vom Weißgerbergraben zu entlarven.
    Trotz der drei, vier Humpen Weißbier versuchte Simon sich zu konzentrieren. Zwischen dem Mord an den Hofmanns und der Falle für Magdalenas Vater musste es irgendeinen Zusammenhang geben, der sich ihm noch nicht erschlossen hatte. Ein logisches Ganzes, dem sich jede bisher so merkwürdig erscheinende Kleinigkeit letztendlich unterordnen würde. Inständig hoffte Simon, dass ihm Pater Hubertus bei der Analyse des merkwürdigen Pulvers weiterhelfen konnte. Mittlerweile war der Medicus davon überzeugt, dass es sich nicht nur um verbranntes Mehl handelte. Vielleicht war dieses Pulver ja ein Schlüssel, der ihm half, die anderen Rätsel zu lösen.
    Ein Bader als Rebell und Alchimist … Mit was hat dieser Hofmann bloß herumexperimentiert?
    Plötzlichfiel Simon ein, wen er in dieser Angelegenheit noch gar nicht befragt hatte: den Floßmeister Karl Gessner! Der Bader war ebenso wie Gessner ein Anführer der Freien gewesen. Gut möglich also, dass der Regensburger Floßmeister etwas von Hofmanns alchimistischen Experimenten wusste. Bei ihrem letzten Treffen auf der Wöhrd-Insel hatte er zwar nichts davon erzählt, aber vielleicht nur, weil sich Simon nicht danach erkundigt hatte.
    Der Medicus beschloss, Gessner an der Floßlände einen Besuch abzustatten. Zwar war es nicht ungefährlich, sich unten an der Donau zu zeigen, wo sicherlich viele Stadtbüttel unterwegs waren, aber dieses Risiko wollte er auf sich nehmen.
    Simon kehrte um, ging am Bischofshof vorbei in nördlicher Richtung und tauchte ein in das Gewirr kleiner Gassen, bis er zwischen zwei Häusern schließlich den träge dahintreibenden Fluss sah. Jetzt um die Mittagszeit herrschte an der Floßlände kaum Verkehr. Die meisten Frachten waren schon in den Morgenstunden gelöscht worden, die Floßknechte und Tagelöhner dösten im Schatten der Kisten, Ballen und Fässer und warteten darauf, dass die brütende Mittagshitze ein wenig nachließ. Von einem hölzernen Kran, der von der Stadtmauer auf die Donau hinausragte, hing ein einsames Tau und pendelte in der warmen Brise hin und her. Es roch nach Fisch, Fluss und frisch geschlagenem Tannenholz. Der sonst in der Stadt vorherrschende Gestank war hier nicht

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