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Die Henkerstochter und der K�nig der Bettler

Titel: Die Henkerstochter und der K�nig der Bettler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver P�tzsch
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ganz so stark; Simon hatte das Gefühl, zum ersten Mal seit langem wieder ein wenig durchatmen zu können.
    Er fragte einen der vor sich hin dämmernden Knechte nach dem Floßmeister und wurde weitergeschickt zur Holzlände, wo sich Gessners Amtsstube befand. Während Simonauf der befestigten Mole leichten Schrittes flussabwärts marschierte, merkte er erst, wie groß der Regensburger Hafen tatsächlich war. Das Gebiet längs der Stadtmauer reichte von den Schiffsanlegeplätzen östlich der Steinernen Brücke bis fast zur westlichen Stadtgrenze. Auf dem Weg zur Holzlände passierte Simon die Weinlände mit ihren bürgerlichen Wirtshäusern, die scheunengroßen Salzstadel und die unzähligen muschelverklebten Stangen im Wasser, die als Bootsanlegestellen dienten. Schließlich tauchten vor ihm wacklige Türme aus Balken und Baumstämmen auf. Ein Dutzend Tagelöhner stapelte hier Bretter und nasses Brennholz, das in armlangen Scheiten die Donau heruntertrieb und aus dem Wasser gefischt wurde. Nicht weit entfernt stand das Haus des Floßmeisters, ein schiefer, niedriger Schuppen, der sich direkt auf der Mole befand und so aussah, als könnte er jeden Augenblick zusammenbrechen.
    Simon wollte bereits an die Tür klopfen, als er merkte, dass sie bereits offen stand. Er drückte vorsichtig dagegen, worauf sie lautlos nach innen schwang. In dem dahinter liegenden, angenehm kühlen Raum stand ein grob gezimmerter Tisch, der mit fleckigen Dokumenten bedeckt war. Auch die Regale an der hinteren Wand quollen fast über vor versiegelten und zu Rollen geschnürten Pergamenten. Von Karl Gessner war nichts zu sehen.
    Simon wollte schon umkehren, als er von jenseits der Regale ein Rumpeln und dann ein Krachen hörte. Es klang, als wäre eine Kiste zu Boden gefallen. Offenbar befand sich hinter der Amtsstube ein weiterer Raum, der als Warenlager diente. Doch in der Stube war kein Zugang zu erkennen.
    War der Lagerraum also nur von der Rückseite her zu erreichen? Stirnrunzelnd ging der Medicus wieder nach draußenund umrundete in schnellen Schritten das kleine Häuschen. Bestimmt war Gessner dort nebenan zugange. Wenn der Floßmeister mit dem Stapeln der Kisten fertig war, würde er danach sicher bei ein, zwei Gläsern verdünnten Weins ein paar Fragen beantworten können. Simon spürte plötzlich, wie durstig er war. Mit der Hitze kam der Kater, offenbar war das Weißbier von Pater Hubertus doch stärker als zunächst vermutet; er musste unbedingt wieder in den Schatten! Wo war nur der verdammte andere Eingang? Hatte er ihn etwa übersehen? Zur Sicherheit ging er den gleichen Weg noch einmal zurück, kam aber zum gleichen Ergebnis.
    Es gab keinen anderen Eingang.
    Simon eilte wieder ins Innere des Hauses. Erst jetzt fiel ihm auf, dass die Schreibstube nicht mit den Außenmaßen des Gebäudes übereinstimmte.
    Sie war wesentlich kleiner.
    Mit angehaltenem Atem lauschte Simon, ganz gedämpft konnte er nun das Schieben von Kisten hören.
    Was in aller Welt …?
    Simon näherte sich vorsichtig der gegenüberliegenden Wand und konnte nun einen Spalt zwischen zwei Regalen erkennen. Er griff hinein und zog an einem der Bretter. Plötzlich schwang die linke Seite der Wand samt Regalen und Dokumenten lautlos nach außen und gab den Blick frei auf einen fensterlosen Raum, der mit Kisten und Säcken vollgestellt war. Karl Gessner stand mit dem Rücken zum Eingang und stapelte einige der sperrigen Behälter zu schiefen Türmen. Im Licht einer Laterne, die auf dem Boden stand, sah Simon, dass ein paar der Kisten geöffnet waren. Darin kräuselten sich welke braune Blätter, die mit dünnen Fäden zu Bündeln geschnürt waren. Der Medicus nahm einen Geruch wahr, den er sehr gut ausder Stube des Schongauer Henkers kannte. Doch noch nie hatte er ihn so intensiv empfunden wie hier.
    Es war der Duft von Tabak.
    In diesem Augenblick fuhr Karl Gessner herum. Das Gesicht des Floßmeisters spiegelte zunächst Erstaunen wider, bevor es sich schließlich zornesrot färbte.
    »Was in drei Teufels Namen hast du hier zu suchen, Quacksalber?«, knurrte er. Er griff nach einem Zimmermannsbeil, das an seinem Gürtel hing. »Ich kann mich nicht daran erinnern, dich hierhergebeten zu haben.«
    »Verzeiht … äh …«, stotterte Simon. »Ich hatte Euch gesucht, und die Tür stand offen …«
    »Wohl nicht diese.« Der Floßmeister schob ihn zur Seite und schloss krachend die Regalwand hinter ihm. Von einem Augenblick auf den anderen war der Raum in eine fast

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