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Die Henkerstochter und der K�nig der Bettler

Titel: Die Henkerstochter und der K�nig der Bettler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver P�tzsch
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nun das an ihm zu vollziehen schien, worin er selbst ein Leben lang Meister gewesen war.
    Eine saubere Enthauptung.
    »Diesen Tod hast du eigentlich gar nicht verdient, Jakob«, zischte Philipp Lettner. »Ich tu’s nur um der guten, alten Zeiten willen. Außerdem …« Er zeigte seine weißen, wölfischen Zähne. »Wer kann schon von sich behaupten, er habe einen leibhaftigen Scharfrichter geköpft? Ich bin sicher, der Teufel lacht über diesen Witz. Und jetzt fahr endlich zur Hölle!«
    Jakob Kuisl senkte das Haupt, schloss die Augen und wartete auf den einen, alles auslöschenden Schlag.
    Er kam nicht.
    Stattdessenherrschte eine fast unwirkliche Stille, die nur von einem lauten metallischen Klirren unterbrochen wurde. Als Kuisl erstaunt hochblickte, sah er, dass Philipp Lettner mit großen, verwirrt blinzelnden Augen vor ihm stand. Der Katzbalger lag auf dem Kirchenboden, aus Lettners Bauch ragte ein zersplitterter, rußiger Balken, den er mit seinen Fingern krampfhaft umklammert hielt. Ungläubig starrte der Floßmeister auf die blutgetränkte Spitze, als könne er nicht verstehen, dass er wirklich starb; als wäre sein Ende im göttlichen Plan einfach nicht vorgesehen.
    Dann kippte er ganz langsam zur Seite und rührte sich nicht mehr. Die Augen brachen, mit leerem Blick glotzte Lettner auf die eingefallene Decke der Kirche, wo zwei Schwalben wütend zwitschernd durch eine Öffnung ins Freie flogen.
    Hinter Lettner stand Philipp Teuber. Der Regensburger Scharfrichter wankte, doch er hielt sich aufrecht. Sorgfältig wischte er sich an seinem blutverschmierten Rock die Hände ab, die noch bis vor kurzem das verkohlte Holzkreuz gehalten hatten.
    »Wollen hoffen, dass das alte Ding geweiht war«, brummte er und tippte mit seinem Fuß den Floßmeister an, der aufgespießt vor ihm auf dem Boden lag. Die Spitze des Kruzifix hatte Lettner wie ein Speer durchbohrt. »Vielleicht brennt das Kreuz ja das Böse aus ihm raus.«
    »So einen Sauhund musst du schon mit Weihwasser übergießen und dann im Taufbecken versenken, damit’s was hilft«, antwortete Kuisl mit krächzender Stimme.
    Der Regensburger Scharfrichter lächelte und taumelte leicht hin und her. Mit starren Augen schaute er auf den Bolzen in seiner Brust.
    »Fühl … mich … nicht … gut«, murmelte er. »Der Pfeil …«
    JakobKuisl deutete auf die Leiche Friedrich Lettners, um die noch immer einige Hornissen schwirrten. »Wenigstens wird dich kein weiterer mehr treffen«, brummte er. »Jedes Ungeheuer hat seinen wunden Punkt, und bei ihm sind’s nicht die großen, sondern die kleinen Pfeile. Mag das Gift wohl nicht …«
    Er brach ab, als Philipp Teuber plötzlich wie ein baufälliger Turm zusammensackte. Der Regensburger Scharfrichter schlug am Boden auf und rührte sich nicht mehr.
    »Mein Gott, Teuber!«, rief Jakob Kuisl, eilte hinüber und kniete sich neben seinen Freund. Trotz des Fiebers versuchte Kuisl sich zu konzentrieren. »Tu mir das nicht an! Nicht jetzt, wo alles vorbei ist! Was soll ich denn deiner Frau sagen?« Er schüttelte den Scharfrichter, doch es kam keine Reaktion. »Dein Weib schlägt mich tot, wenn ich dich so zurückbring!«
    Noch einmal öffnete Philipp Teuber die Augen, ein leises Lächeln huschte über seine Lippen. »Hast … es auch … nicht anders verdient … Sauhund …«, murmelte er.
    Dann fiel sein Kopf zur Seite, der Atem kam flach und röchelnd.
    »He! Wach auf, Faulpelz! Nicht einschlafen, verflucht!«
    Jakob Kuisl sprang auf und zerrte an Teubers Hemd. Sofort floss ihm das Blut in kleinen, dunkelroten Rinnsalen über die Finger, der Bolzen in der Brust steckte fest wie ein Zimmermannsnagel. Kurz blieb Kuisl wie gelähmt stehen, dann schien er einen Entschluss gefasst zu haben.
    »Wart mit dem Sterben noch. Bin gleich wieder da!«
    Ohne auf seine eigenen Wunden und die Hornissenstiche zu achten, rannte der Henker hinaus in die gleißende Mittagshitze. Ein leichter Wind blies durch ein Fensterloch und schickte ein Klagen wie das eines Kindes durch denWald, doch Kuisl hörte nichts und niemand. Gehetzt sah er sich in dem verfallenen, von Büschen, Birken und Weiden zugewachsenen Dorf um.
    Frauenmantel, Schafgarbe, Blutwurz, Hirtentäschel … Ich brauche Hirtentäschel!
    Das Blut war nicht hellrot schäumend gewesen, ein gutes Zeichen. Offenbar war die Lunge verschont geblieben. Wenn Kuisl die richtigen Kräuter fand, war vielleicht noch Hoffnung. Wichtig war jetzt, die Blutung zu stillen und dafür zu

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