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Die Henkerstochter und der K�nig der Bettler

Titel: Die Henkerstochter und der K�nig der Bettler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver P�tzsch
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putzt jedenfalls bereits die Zangen. Aber was red ich, mit so was kennst dich ja aus! Einen schönen Tag noch in Regensburg.«
    Er zwinkerte Jakob Kuisl noch einmal zu, dann entfernte er sich mit einem Pfeifen auf den Lippen.
    Mutlos ließ sich der Schongauer Henker an der Wand hinunterrutschenund kauerte sich wieder in eine Ecke. Es sah nicht gut aus für ihn. Aus eigener Erfahrung wusste er, dass es vermutlich nur noch einige Tage waren, bis man mit der Folter beginnen würde. Laut uralter Rechtsprechung konnte ein Verdächtigter nur dann verurteilt werden, wenn ein Geständnis vorlag, und dieses Geständnis würde der Regensburger Scharfrichter mit allen Mitteln aus Jakob Kuisl herauszupressen versuchen. Er würde ihm zunächst die Folterinstrumente nur zeigen. Wenn Kuisl dann nicht gestand, würde der Henker ihm Daumenschrauben anlegen und die Fingernägel einzeln herausreißen. Schließlich würde er Kuisl zentnerschwere Steine an die Füße binden und ihn mit auf den Rücken gebundenen Armen nach oben ziehen, bis die Knochen knackten und brachen. Der Schongauer Henker wusste das deshalb so genau, weil er es selbst schon ein Dutzend Mal so gemacht hatte. Aber er wusste auch: Würde der Verdächtigte trotz allem nicht gestehen, musste man ihn wieder freilassen.
    Wenigstens das, was von ihm dann noch übrig war.
    Jakob Kuisl legte sich auf den dreckigen Holzboden, schloss die Augen und bereitete sich auf die lange Reise in die Welt der Schmerzen vor. Er war sich darüber im Klaren, dass ihn bei einem Geständnis mindestens das Rad erwartete. Vermutlich würden sie ihn vorher aufhängen, ihm den Bauch aufschneiden und die Eingeweide herausziehen.
    Sein Blick wanderte über die schmutzigen Zellenwände, auf denen unzählige Gefangene ihre Namen, aber auch Bitten, Gebete und Flüche ins Holz gekratzt hatten. Der Hauptmann hatte die kleine Luke in der Tür nicht richtig geschlossen, so dass ein schmaler Lichtstreifen auf die Kritzeleien der Verzweifelten fiel. Jede Inschrift erzählteein Schicksal, eine eigene Geschichte, gab Zeugnis von einem Leben, das vermutlich viel zu früh und äußerst schmerzvoll zu Ende gegangen war. Die Augen des Henkers blieben an einer bestimmten Stelle hängen, auf der eine einzige Zeile zu lesen war. Jemand musste sie mit einem Messer tief in die Zellenwand gegraben haben.
    Es ist ein Schnitter, der heißt Tod …
    Jakob Kuisl runzelte die Stirn. Merkwürdig, dass er diese Worte gerade hier las. Sie waren nur der Anfang eines dummen, alten Söldnerliedes, doch dem Henker erzählten sie mehr als ein ganzes Buch. In Kuisls Ohren tönte ein dumpfes Brausen. Die Worte waren im hintersten Teil seines Kopfes verbannt gewesen, beinahe vergessen. Doch jetzt, da er die Inschrift las, trieben sie wieder an die Oberfläche seines Bewusstseins.
    Es ist ein Schnitter, der heißt Tod …
    Bilder, Geräusche, ja sogar Gerüche kamen zurück. Der Geruch von Pulverdampf, Schnaps und Verwesung. Ein dumpfer Chor von Männern, das rhythmische Marschieren der Schritte.
    Es ist ein Schnitter, der heißt Tod. Hat G’walt vom großen Gott …
    Die Erinnerung traf ihn wie ein Hammerschlag.
    … Das Landsknechtlied dröhnt durch die Stadt, ohne dass man die einzelnen Worte verstehen kann. Ein brummender Bass wie das Summen vieler Schmeißfliegen. Je näher Jakob dem Marktplatz kommt, desto lauter tönt das Lied. Er spürt sein Herz schlagen, als er vor sich die Menge erblickt. Tagelöhner sind darunter, Schneidergesellen und Schuhflicker, habgierige Abenteurer und arme Schlucker. Sie alle stehen in einer langen Schlange, die sich einmal rund um den Platz windet und vor einem breiten, verkratzten Holztisch endet. Dahinter sitzt ein Offizier vor einem großen Buch, in das er die Namen der Rekruten notiert. Trommler und Pfeifer stehen in engen Reihen hinter dem Tisch, der Branntwein kreist, und wer noch singen kann, der singt.
    Es ist ein Schnitter, der heißt Tod. Hat G’walt vom großen Gott … Heut wetzt er das Messer, es schneid ’ t schon viel besser …
    Langsam, ganz langsam schluckt das Buch die Schlange, bis Jakob endlich vor dem Offizier steht, der ihn mit einem Grinsen mustert. Der Soldat kaut auf einem Stück Tabak und spuckt den braunen Sud aufs Pflaster.
    »Wie heißt du, mein Junge?«
    »Jakob Kuisl.«
    »Und wie alt bist du?«
    »In diesem Sommer werden’s fünfzehn Jahre.«
    Der Offizier reibt sich die Nase. »Siehst größer aus. Und verflucht kräftig bist du auch. Warst denn schon

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