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Die Henkerstochter und der K�nig der Bettler

Titel: Die Henkerstochter und der K�nig der Bettler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver P�tzsch
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Jakob Kuisl hinaus in den dämmrigen Gang des Kerkertrakts, gerade so weit, wie dessen Kette reichte.
    Philipp Teuber war ein gutes Stück kleiner als der Schongauer Scharfrichter, doch wesentlich breiter. Sein Körper erinnerte Kuisl an ein Weinfass, auf das man oben einen viel zu kleinen Kopf geschraubt hatte. Alles an ihm schien aus sehnigen Muskeln zu bestehen; den Hals hatte der liebe Herrgott bei der Erschaffung Teubers einfach weggelassen und das zusätzliche Material in die Arme und Beine gesteckt. Das Gesicht war rund und fleischig, umrahmt von einem rotblonden Vollbart und einer ebensolchen Mähne, unter der zwei erstaunlich fröhliche Augen und unzählige Sommersprossen blitzten. Der Regensburger Henker mochte ungefähr vierzig Jahre alt sein, doch seine ganze Erscheinung ließ ihn wesentlich älter wirken.
    »Das nächste Mal sagst Bescheid, wennst nach Regensburg kommst«, brummte Teuber. »Dann bereit ich bei mir zu Haus die Liegstatt vor und lass von meiner Caroline was Geselchtes kochen.«
    JakobKuisl grinste. »Wär bestimmt besser als der Fraß hier.«
    »Du kennst meine Caroline nicht.« Philipp Teuber zeigte eine Reihe gelbschwarzer Zähne, eine Mimik, die der Schongauer Henker als Lächeln auffasste.
    Eine Weile herrschte Ruhe, dann ergriff Teuber wieder das Wort, während er sich die Fingerknöchel massierte. »Sieht bös aus für dich, Vetter. Die Untersuchungen sind abgeschlossen, der Rat will dir noch heute den Prozess machen. Wenn du nicht gestehst, bringen sie dich runter zu mir in die Fragstatt. Du weißt, was dann kommt …«
    Wieder schwiegen beide, nur das Summen der Fliegen, die über dem Aborteimer kreisten, war zu hören.
    »Warum bist du gekommen?«, fragte Kuisl schließlich.
    »Ich wollt dich einfach anschauen«, sagte der Regensburger Scharfrichter. »Und zwar bevor ich dir die Daumenschrauben anleg. Kommt nicht alle Tag vor, dass man einen Kollegen rädern und vierteilen soll.« Er sah seinem Gegenüber tief in die Augen. »Der Schultheiß sagt, du hast deine Schwester und deinen Schwager auf dem Gewissen. Hast du?«
    Jakob Kuisl räusperte sich lautstark und spuckte auf den Boden. »Was glaubst?«
    Teubers Blick tastete ihn ab, als würde er unter der Kleidung nach Hexenmalen und verdächtigen Leberflecken Ausschau halten.
    »Wie viel Leut hast schon hingerichtet, Kuisl?«, fragte er schließlich.
    Der Schongauer Scharfrichter zuckte die Achseln. »Weiß ned. Hundert vielleicht? Zweihundert? Ich hab sie nie gezählt.«
    Philipp Teuber nickte anerkennend. »Dann weißt du jedenfalls, von was ich red. Sieh her.« Er deutete auf sein bärtiges,rundes Gesicht. »Ich hab mit den zwei Ohren hier schon mehr Leut winseln hören, dass sie unschuldig sind, als euer Schongau dumme Bauern hat. Und diese zwei Augen haben mehr Galgenvögel zappeln sehen, wie’s feiste Pfaffen in Rom gibt. Regensburg ist eine große Stadt, ich tu hier fast jeden Monat jemand weh. Und mit der Zeit, Kuisl …« Er seufzte und betrachtete die Kritzeleien an den Kerkerwänden. »Mit der Zeit spürt man, wer unschuldig ist und wer nicht«, fuhr Teuber fort. »Glaub mir, die meisten sind schuldig.«
    »Red ned daher wie der Papst«, knurrte Jakob Kuisl. »Es schert mich nicht, was du glaubst oder meinst. Kannst eh nichts ändern, wenn die hohen Herren was beschlossen haben.«
    Philipp Teuber nickte. »Recht hast, aber schön ist’s nicht, wennst einem den Strick um den Hals legst, und der wahre Mörder läuft draußen noch frei herum.«
    »Also glaubst du, dass ich unschuldig bin?«
    Der Regensburger Henker sah seinem Kollegen noch einmal tief in die Augen.
    »Diese Stadt dort draußen ist wie ein großes Ungeheuer«, sagte er schließlich. »Jeden Tag frisst sie ein paar Leut auf. Und es sind nicht immer die Bösewichter.«
    Jakob Kuisl hatte das Gefühl, als ob ihm sein Gegenüber etwas verschwieg. Teuber zögerte, bevor er erneut ein Lächeln versuchte.
    »Ich mach dir einen Vorschlag, Kuisl. Du gestehst morgen beim Prozess den Doppelmord, dann ersparst du dir wenigstens die Folter. Wenn sie dich rädern lassen wollen, brech ich dir mit der Stange zuerst das Genick, dann spürst nichts mehr. Und wenn sie dich vierteilen, weiß ich einen hübschen Trank, der dich rüberschweben lässt, bevor die Gelenke aus den Schultern springen. Wie wär’s?«
    JakobKuisl spuckte erneut auf den staubigen Boden. »Ich war’s nicht und ich gesteh nicht. Jetzt schleich dich und geh an deine Arbeit. Wirst noch ein paar Zangen

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