Die Henkerstochter und der K�nig der Bettler
klar?«
»Natürlich«, sagte der Medicus nach einer Weile, obwohl er eigentlich nicht viel verstanden hatte. »Aber was hat das nun mit dem Hofmann zu tun?«
»Ich hab’s doch schon gesagt! Der Hofmann war ein Freier «, zischte der Bettlerkönig. »Vielleicht hat er was gewusst, was den Patriziern hätte schaden können, gerade jetzt vor dem wichtigen Reichstag. Also haben sie ihn, krrk …« Er fuhr sich mit dem Finger über den Hals. »Und seine Frau gleich mit. Und damit keiner Verdacht schöpft, hat man eben diesen Henker verhaftet. Als Sündenbock sozusagen.«
»Das … könnte stimmen«, sagte Simon. »Oder auch nicht. Man müsste mit diesen Freien mal reden können.«
Nathan lachte. »Mit den Freien reden? Was glaubst, was die sind? Waschweiber? Die lassen sich doch nicht noch mal verraten und hängen. An die kommt keiner ran.«
»Auch du nicht?«
DerBettlerkönig wog bedächtig den Kopf. »Mag sein. Aber was willst du erreichen? Dass sie dir den wahren Schuldigen nennen? Glaub mir, der Auftrag zu morden kam von ganz oben aus dem Rat. Geh besser mit deinem Mädchen wieder heim in dein kleines Schongau. Du bist zu jung zum Sterben.«
Gerne. Und meinen Schwiegervater in spe lasse ich in Regensburg verrotten und verrecken , dachte Simon. Das verzeiht mir Magdalena nie.
»Ich will mit einem dieser Freien reden«, sagte er schließlich. »Mach das möglich, und ich kümmer mich gleich jetzt um deine Kranken.«
Der Bettlerkönig nickte. »Wenn du meinst. Ich will sehen, was ich tun kann. Heute Nacht werden wir mehr wissen.« Er schnippte mit den Fingern, und Hans Reiser und zwei weitere Bettler näherten sich. »Ich lasse deine Sachen und auch dein Liebchen hierher bringen. Es ist wohl besser, wenn ihr erst mal bei uns bleibt. Nicht nur wegen der Geschichte mit der Brandstiftung. In letzter Zeit sind ein paar Straßenmädchen so einfach mir nichts, dir nichts verschwunden.« Noch einmal strahlten seine goldenen Zähne, als er zu einem Lächeln ansetzte. »Betrachtet euch beide solang als meine Ehrengäste.«
Simon stand auf und ging hinüber in die Ecke einer Halle, um sich seine Patienten näher anzusehen. Summend umkreisten ihn fette Schmeißfliegen, als wollten sie den neuen Gast willkommen heißen.
Was Jakob Kuisl am meisten fehlte, waren nicht Sonnenlicht und frische Luft, sondern sein heißgeliebter Tabak. Die Wachen hatten ihm seinen Ranzen abgenommen, in dem sich auch die Dose mit dem süßlich riechenden Kraut befunden hatte.
DerHenker seufzte und fuhr sich mit der Zunge über die ausgemergelten Lippen. Er brauchte den Tabak, den er für sündhaft teures Geld extra aus Augsburg kommen ließ, so wie andere den Alkohol – vor allem dann, wenn er nachdenken musste. Gerade jetzt hätte er seine heißgeliebte Pfeife bitter nötig gehabt. Aber so lag er mit hinter dem Kopf verschränkten Armen auf dem kalten Boden seines Kerkers, starrte Löcher in die Dunkelheit und dachte noch einmal an den Prozess von heute Vormittag, der ihm klargemacht hatte, wie aussichtslos seine Lage war.
Sie hatten ihn nach oben in die Amtsstube gebracht und dort die kurze Anklageschrift verlesen. Sowohl der Schultheiß wie auch die drei Schöffen waren von seiner Schuld von Anfang an überzeugt gewesen. Kuisls Anwesenheit am Tatort und das Testament sprachen eine zu deutliche Sprache. Am Ende war es nur noch darum gegangen, dass er gestand. Doch der Schongauer Henker hatte beharrlich geleugnet und war zum Ende hin sogar ausfällig geworden. Schließlich war er von vier Bütteln gleichzeitig an Händen und Füßen gepackt und wieder in seine Zelle geschleppt worden.
Seitdem wartete Jakob Kuisl auf die Folter.
Er war sich sicher, dass sie schon bald damit anfangen würden. Die Sache duldete keinen Aufschub, zu schwerwiegend waren die Beschuldigungen. Vom Beginn der Tortur an hing es allein an ihm, wie lange es noch bis zur Urteilsverkündung und letztendlich zur Hinrichtung dauerte. Je länger er durchhielt, umso mehr Zeit hatten Magdalena und Simon, den wahren Täter zu finden.
Es ist ein Schnitter, der heißt Tod …
Der Henker schlug sich an die Stirn, doch das verfluchte Lied wollte nicht verschwinden. Es war, als wäre erzweimal eingesperrt, einmal in dieser Zelle und dann auch noch in seinem Kopf. Die Erinnerung war wie ein erster Teil der Folter.
Zum hundertsten Mal wanderte sein Blick über die Kerkerwand, wo sich nun ein heller Fleck im Holz befand. Der Regensburger Scharfrichter hatte, auf Kuisls Bitte
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