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Die Henkerstochter und der K�nig der Bettler

Titel: Die Henkerstochter und der K�nig der Bettler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver P�tzsch
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verdammten Brief abzuholen. Vermutlich würde Philipp Teuber das Papier anirgendwelche Angehörigen weitergeben. Ein letzter Gruß von einem dem Tode Geweihten, der sich von seinen Verwandten Trost und vielleicht ein paar Spezereien für die Todeszelle versprach. So etwas kam öfter vor.
    Was der Scharfrichter jedoch nicht wusste, war, dass ein anderer Mann darum gebeten hatte, den Brief vorher in Augenschein nehmen zu können. Ein Mann, der dem Büttel dafür eine hübsche Summe klingender Münzen versprochen hatte.
    Grinsend steckte der Wachsoldat den Zettel in seine Rocktasche und ging pfeifend hinaus auf den Rathausplatz. Wie verabredet erwartete ihn der Fremde bereits vor dem Stadtknechthaus im Waaggässchen. Der Mann ging gebückt und hatte trotz der Sommerhitze den Mantelkragen nach oben geschlagen, so dass man sein Gesicht nicht sehen konnte. Niemand hätte später sagen können, wer er war. Selbst der Wachsoldat, der ihm den Brief zusteckte und dafür einen Beutel Münzen entgegennahm, wäre nicht imstande gewesen, ihn später zu beschreiben. Zu fließend waren seine Bewegungen, zu unscheinbar sein Auftreten. Alles hatte der Mann unter Kontrolle, nur seine Augen nicht.
    Als er den Brief hastig entfaltete, schienen sie vor Hass zu glühen.
    Plötzlich breitete sich ein kaltes Lächeln auf seinem Gesicht aus. Er zog ein weiteres Stück Papier hervor und schrieb einige Worte darauf. Den echten Brief ließ er unter dem Mantel verschwinden.
    »Ich werde dem Mädchen und diesem Quacksalber ein Rätsel aufgeben«, zischte er, mehr zu sich selbst. »Manchmal muss man den Hunden einen Knochen hinwerfen, damit sie was zum Beißen haben. Sonst kommen sie nur auf dumme Gedanken. Hier, gib das dem Teuber.«
    Mitdiesen Worten reichte er das Papier der Wache. Als der Büttel wieder auf den belebten Rathausplatz trat, war er so erleichtert, dass er einen Teil des Geldes erst einmal in Wein umsetzte. Noch immer liefen ihm kalte Schauer über den Rücken.
    Es gab Menschen, die man nicht einmal einem mutmaßlichen Mörder zum Feind wünschte.

7
    Regensburg, den 20. August
anno domini 1662 , Mittag
    H abt Ihr denn eine Idee, wo Euer amico sich aufhalten könnte?«
    Silvio Contarini reichte Magdalena galant den Arm. Nach kurzem Zögern nahm sie ihn und ließ sich von dem Venezianer durch die Gassen Regensburgs führen. Sie überragte ihn um fast einen Kopf.
    »Ehrlich gesagt, nein«, sagte sie unsicher. »Vielleicht wollte er nur ein wenig Luft schnappen. Ich hoffe nur, es ist ihm nichts passiert.«
    »Habt Ihr nicht gesagt, dass er Kaffee mag?«
    Magdalena nickte. »Kaffee und Bücher, ja. Nach beidem ist er süchtig.«
    »Dann weiß ich einen Ort, wo Euer Simon sein könnte.«
    Silvio geleitete sie entlang einer breiten gepflasterten Gasse, auf der ihnen rumpelnde Ochsenkarren und Kutschen entgegenkamen. Penibel achtete er darauf, dass Magdalena innen ging, um sie vor dem gelegentlich aufspritzenden Dreck zu schützen. Die Henkerstochter musste schmunzeln. Dieser Mann war wirklich ein Kavalier! Sie beschloss, sich wenigstens für kurze Zeit als Dame zu fühlen und alles Weitere ihrem kleinen Begleiter zu überlassen.
    Nach kurzer Zeit hatten die beiden den Rathausplatz erreicht.Gegenüber dem prächtigen Gebäude befand sich ein schmuckes, frisch getünchtes Wirtshaus mit Glasfenstern, buntem Stuckwerk und einem frisch gedeckten Giebeldach darüber. Patrizier mit weiten Hosen und engtaillierten Röcken, aber auch einige grell geschminkte Frauen mit breitkrempigen Hüten und hochgestecktem Dutt stolzierten ein und aus. Ungeduldig zog Silvio sie am Ärmel Richtung Eingangstür.
    »Ihr glaubt doch nicht, dass die mich reinlassen, so wie ich aussehe!«, flüsterte Magdalena entsetzt. »Ich komm daher wie eine schmutzige Dienstmagd!«
    Der kleine Venezianer musterte sie verlegen. »Das könnte in der Tat ein Problem sein. Nehmt so lange das hier.« Er reichte Magdalena seinen Umhang. Jetzt erst bemerkte sie, dass darunter an einer Schärpe ein schmaler Degen mit einem rubinverzierten Griff baumelte.
    »Später suchen wir für Euch ein paar Kleider, die Eurer Schönheit angemessen sind«, sagte Silvio entschieden. »Es kann nicht sein, dass eine bella signorina , wie Ihr es seid, herumläuft wie ein Waschweib.«
    Magdalena streifte den weiten, viel zu warmen Wollmantel über, so dass nur noch ihr Gesicht und die schwarzen zottigen Haare zu sehen waren. Sie konnte nur hoffen, dass niemand auf ihre Schuhe achtete. Außerdem wurde ihr

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