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Die Henkerstochter und der K�nig der Bettler

Titel: Die Henkerstochter und der K�nig der Bettler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver P�tzsch
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genauer angesehen. Dieses Mehl …« Simon machte eine nachdenkliche Pause. »Es waren Spuren darin, große Fußspuren. Sie endeten direkt vor der Mauer. Eine von ihnen war an der Hälfte abgeschnitten. Ganz so …«
    »Ganzso, als ob es hinter der Mauer weitergehen würde!«, fiel ihm Magdalena aufgeregt ins Wort. »Verdammt! Warum hast du das nicht eher gesagt?«
    »Ich … ich hatte es ganz vergessen«, stammelte Simon. »Gerade als ich die Spuren untersuchen wollte, fing es an zu brennen, und wir mussten um unser Leben kämpfen, erinnerst du dich? Die Spuren im Mehl waren so ziemlich das Letzte, was mir in diesem Augenblick durch den Kopf ging.«
    Magdalena seufzte. »Wie auch immer. Ich glaube, es gibt nur eine Möglichkeit, wie wir überprüfen können, ob du recht hast«, sagte sie und stand vom Tisch auf.
    »Und die wäre?«, fragte Simon.
    Die Henkerstochter grinste. »Wir müssen heute Nacht noch einmal ins Baderhaus und genauer nachsehen.«
    »Aber das Haus ist doch komplett niedergebrannt«, murmelte Nathan. »Wie wollt ihr da noch etwas finden?«
    »Ich glaube kaum, dass das Feuer bis in den Brunnen vorgedrungen ist«, sagte Magdalena. »Und einen Vorteil hat der Brand ja. Wenigstens müssen wir diesmal nicht fürchten, wieder eingesperrt zu werden. Danke derweil fürs Essen.«
    Mit einem Apfel in der Hand ging sie zurück zur Krankennische, um sich um den nächsten Patienten zu kümmern.
    Jakob Kuisl lag auf dem hölzernen Boden seiner Zelle und versuchte den Schmerz zu vergessen.
    Der Schongauer Henker hatte sich in sein tiefstes Innerstes verkrochen, dorthin, wo eine warme, helle Sonne schien, die ihre Strahlen bis in die Spitzen seiner Finger schickte und ihn mit angenehmen Gedanken nährte.
    Eine Blumenwiese im Frühling, der Tau auf den Blättern von Maiglöckchen, das helle Lachen der Zwillinge, Magdalena …
    Kuisl wusste von seinen eigenen peinlichen Befragungen, dass Menschen sehr viel Schmerz ertragen konnten, wenn sie nur stark in ihrem Glauben waren; wenn sie sich Gott nahe fühlten oder zumindest felsenfest überzeugt waren, dass sie keine Schuld trugen, so wie Jakob Kuisl um seine eigene Unschuld wusste. Sein Vater hatte ihm einmal von einer alten Frau erzählt, die im berüchtigten Schongauer Hexenprozess über sechzigmal gefoltert worden war. Die störrische, gottesgläubige Hebamme hatte bis zum Schluss geleugnet, eine Zauberin zu sein, und war schließlich entlassen worden. Jakob Kuisl fragte sich, wie viele solcher Foltern er überstehen konnte. Dreißig? Vierzig?
    Der Schongauer Henker stöhnte und versuchte sich so auf den Boden zu kauern, dass die Schmerzen einigermaßen erträglich waren. Auf dem Rücken zu liegen war unmöglich, weil sich dort die dornige Walze der Streckbank in sein Fleisch gefressen hatte. Auf Kuisls Oberschenkeln klafften schwärzlich rote Brandwunden, seine Arme ließen sich kaum noch bewegen. Daumen, Zeigefinger und beide Schienbeine waren durch die Schraubzwingen, die ihm Philipp Teuber eine halbe Stunde lang angelegt hatte, blau angelaufen und pochten, als würde jemand mit einem Eisenhammer daraufschlagen.
    Jakob Kuisl wusste, dass dies nur der erste Grad der Tortur gewesen war. Morgen früh würden sie vermutlich mit dem Seilstrecken anfangen, ihm die Arme hinter dem Rücken hochziehen und Steine mit bis zu einem Zentner Gewicht an seine Beine binden. Die dritte Stimme hinter der vergitterten Nische hatte während der ganzen Sitzung darauf gedrängt, mit dem Strecken so früh wie möglich zubeginnen. Jakob Kuisl hatte den Eindruck, dass die beiden anderen Regensburger Ratsherren von dem unverhohlenen Hass ihres Kollegen angewidert waren. Trotzdem ließen sie ihn gewähren, und so erteilte der dritte Mann immer neue Anweisungen, was die Härte der Folter anging.
    Der dritte Mann …
    Jakob Kuisl hatte sich in den letzten Stunden den Kopf zerbrochen, wo er die Stimme schon einmal gehört hatte. Doch die Schmerzen machten es ihm fast unmöglich, sich zu konzentrieren. Trotzdem kramte er in seinen Erinnerungen. Der hasserfüllte Fremde auf dem Floß fiel ihm plötzlich wieder ein. Konnte er die dritte Stimme sein? Irgendetwas in Kuisl sagte ihm, dass er auch den Flößer von früher her kannte. Aber als Fragherr kam er kaum in Betracht. Philipp Teuber hatte Kuisl erzählt, dass die Auserwählten immer reiche, angesehene Bürger waren; dieser Flößer dagegen war ein einfacher Mann und vermutlich nicht einmal Regensburger.
    Jakob Kuisl blinzelte mit den

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