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Die Henkerstochter und der K�nig der Bettler

Titel: Die Henkerstochter und der K�nig der Bettler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver P�tzsch
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Breitenfeld, Rain am Lech, Nördlingen …
    Es waren Orte des Krieges, Schlachtfelder, auf denen Jakob Kuisl als Söldner gedient, auf denen er gebrandschatzt, geflucht, gehurt und getötet hatte. Bilder und Gerüche kamen zurück wie Gewitterwolken in einem Sturm.
    Herr im Himmel!
    Während die Fackel rußig vor sich hin blakte, begann für den Schongauer Henker eine weitere Folter.
    Diesmal drang sie bis in sein Innerstes vor.
    »Allmächtiger! Seht euch nur an, wie das Feuer hier gewütet hat!«
    Simon deutete flüsternd auf die verkohlten Überreste des Baderhauses, das in sich zusammengefallen war. Hier und da qualmte es noch, doch der nächtliche Gewitterregen hatte den größten Teil der Ruine in einen matschigen Haufen zersplitterter, rußiger Balken verwandelt. Die Mauern waren an drei Seiten eingebrochen, überall auf der Straße lagen Ziegelscherben, verschmorte Fensterrahmen, Stofffetzen und zerbrochene Krüge, die zeigten, dass die Plünderer sich bereits ihren Teil geholt hatten. Allein der Kamin ragte noch aus dem Gerümpel hervor und hinterließ eine Ahnung, dass an dieser Stelle einmal ein stattliches Gebäude gestanden hatte.
    Der Medicus schüttelte zweifelnd den Kopf. »Hier werden wir sicher nichts mehr finden. Lasst uns wieder umkehren.«
    Auch Magdalena blickte verdrossen auf das schwarze Gerippe. Sie musste zugeben, dass sie nicht damit gerechnet hatte, das Haus ihrer Tante so zerstört vorzufinden. Trotzdem wollte sie nicht so leicht aufgeben.
    »Wieviel Zeit haben wir?«, fragte sie Nathan, der neben ihr stand und an einem alten Hühnerknochen nagte.
    Der Bettlerkönig fieselte etwas zwischen seinen goldenen Zähnen hervor. »Meine Jungs melden mir, wenn die Wachen wieder hier in der Gegend patrouillieren«, nuschelte er. »Zurzeit sind die Büttel unten am St.-Emmerarns-Platz. Es kann also noch ein Weilchen dauern. Ich pfeife, sobald sie in der Gegend auftauchen.«
    Magdalena nickte. Sie war froh, dass sie Nathan und ein Dutzend der Bettler mitgenommen hatten. Der Bettlerkönig hatte ihr auch geraten, erst in den frühen Morgenstunden die Ruine aufzusuchen, weil dann die Stadtknechte auf ihre Ablösung warteten und dementsprechend lustlos in den Gassen patrouillierten. Simon war zunächst dagegen gewesen, die Bettler in ihre Pläne einzuweihen, hatte sich dann aber überreden lassen. In einer Stadt wie Regensburg war es nie gut, allein in der Nacht unterwegs zu sein, und mit Nathans Kumpanen waren sie in den Gassen so sicher wie in Abrahams Schoß. Auch jetzt zeigte sich einmal mehr, wie hilfreich die Bettlergilde sein konnte. Überall längs des Weißgerbergrabens waren Posten verteilt, die beim geringsten Anzeichen von Gefahr Meldung machen würden.
    »Dann lasst uns keine Zeit verschwenden«, flüsterte Magdalena.
    Mit einer Laterne in der Hand näherte sich die Henkerstochter dem Haufen verkohlter Balken und suchte nach einem Loch, durch das sie hineinschlüpfen konnte.
    »Magdalena«, zischte Simon. »Die Ruine wird einstürzen und dich unter ihr begraben. Vielleicht sollten wir besser …«
    »Komm mit mir oder lass es bleiben«, unterbrach ihn dieHenkerstochter schroff. »Ich jedenfalls werd meinen Vater nicht im Stich lassen!«
    Sie zog einen Balken zur Seite und setzte damit eine Kettenreaktion in Gang. Krachend stürzte ein Teil des Schuttbergs in sich zusammen. Magdalena sprang zur Seite, als eine Wolke Asche auf sie herabregnete.
    »Was hab ich dir gesagt?«, flüsterte Simon. »Du schaufelst dir dein eigenes Grab!«
    Magdalena deutete auf ein Loch in dem Haufen, das vorher noch nicht da gewesen war.
    »Wenigstens haben wir jetzt einen Eingang«, sagte sie. »Ungefähr hier muss auch die Heizkammer mit dem Brunnen gewesen sein.«
    Sie ließ sich auf die Knie hinunter und krabbelte mit der Laterne voran in die Ruine. Nur kurze Zeit später war sie im Inneren verschwunden. Simon murmelte ein Stoßgebet und kroch ihr nach. Wenn es sich schon nicht vermeiden ließ, dann sollten sie wenigstens gemeinsam sterben.
    »Viel Glück!«, hörte er hinter sich Nathan rufen. »Keine Angst, wenn das Ganze hier zusammenstürzt, graben wir euch wieder aus. Tot oder lebendig.«
    »Danke, sehr liebenswürdig«, zischte Simon, obgleich er wusste, dass der Bettlerkönig ihn nicht mehr hören konnte.
    Der Medicus spürte, wie sein Rücken an rußigen Balken entlangschabte, an seinen Knien klebte eine matschige Schicht aus Asche und Erde. Sie bewegten sich durch eine Art Röhre, gebildet aus

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