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Die Henkerstochter und der schwarze M�nch

Titel: Die Henkerstochter und der schwarze M�nch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver P�tzsch
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blieb das Pferd stocksteif stehen und zupfte ungerührt ein Kraut aus dem Schnee. Verzweifelt zerrte Simon an den Zügeln und bohrte seine Fersen in Wallis dürren Leib, doch genauso gut hätte er auf einem Stein sitzen können.
    Benedikta sah seinen Bemühungen grinsend zu, dann steckte sie zwei Finger in den Mund und pfiff.
    »Allez hop, viens par ici!«
    Als hätte das Pferd auf Benediktas Ruf gewartet, setzte es sich in Bewegung.
    »Wo habt Ihr nur gelernt, so gut mit Pferden umzugehen? «, fragte Simon, während er Walli auf die Hinterbacken schlug und versuchte aufzuholen.
    »Meine Mutter kommt aus einer Hugenottenfamilie, die vor den französischen Katholiken geflohen ist.« Benedikta ließ ihr Pferd schneller traben. »Ein angesehenes Geschlechtaus der Gegend von Paris, mit Gutshaus und Ländereien. Sie hat als Kind das Reiten geliebt, und diese Liebe hat sich wohl auf mich übertragen. Je suis un enfant de France! « Sie lachte und sprengte davon.
    Simon schlug Walli die Hacken in die Seite, um Benedikta einzuholen. Kurz ritten sie nebeneinanderher.
    »Frankreich muss wunderschön sein!«, rief er ihr zu. » Paris! Notre-Dame! Die Mode! Ist es wahr, dass die Stadt nachts von tausend Laternen beleuchtet wird?«
    »In Eurem Schongau würde ich mich schon über ein Dutzend Laternen freuen. Außerdem riecht man in Paris besser.« Sie gab ihrem Pferd einen Klaps. »Aber jetzt Schluss mit der Schwärmerei. Wer als Letzter am Waldrand ist, spendiert dem anderen in Wessobrunn einen Krug Muskatellerwein! Allez hue, Aramis! «
    Ihr Fuchs machte einen Satz und raste auf den Wald zu. Walli zockelte hinterdrein, offenbar in der Hoffnung, am Waldrand auf ein paar wohlschmeckende Gräser zu stoßen.
    Sie ließen den Peißenberg rechts liegen und wandten sich nach Norden. Nach weiteren zwei Stunden Ritt durchquerten sie einen dichten Wald, in dem zwischen den Tannen immer wieder dunkelgrüne Eiben standen.
    »Passt auf Euer Pferd auf, dass es nichts von den Eiben frisst«, warnte Benedikta. »Die Bäume sind hochgiftig. Der Henker dreht Euch sonst den Hals um!«
    Simon nickte. Er mochte sich nicht vorstellen, was Jakob Kuisl mit ihm machen würde, wenn er seinem eigenen toten Pferd die Haut abziehen musste. Vermutlich würde er Simon bis zum Hals in ein Fass mit Gerbsäure tunken. Während der Medicus noch darüber nachdachte, wie viel er dem Henker mittlerweile schon verdankte, verspürte er plötzlich ein dringendes Bedürfnis.
    »Benedikta, verzeiht. Aber ich ... « Er lächelte verschämt und deutete auf die Eiben zur Linken. »Es dauert nur einen Moment.«
    »Tut, was Ihr nicht lassen könnt.« Sie zwinkerte ihm zu. »Aber lasst Euch nicht mit heruntergelassener Hose von den bösen Räubern erwischen.«
    Simon betrat das Eibendickicht und zwängte sich an den piksenden Ästen vorbei. Im Schutz der Bäume öffnete er die Knöpfe von Rock und Hose und erleichterte sich. Als er fertig war, hielt er noch kurz inne, um die Ruhe des Waldes zu genießen.
    In diesem Moment spürte Simon ganz deutlich, dass ihn jemand beobachtete.
    Es war wie ein Brennen in seinem Rücken, nur einen Augenblick später ließ ihn ein Knacken hinter ihm erstarren. Er schloss langsam die Knöpfe seiner Hose und tauchte wieder ein ins Eibendickicht. Doch anstatt wieder zurück auf die Straße zu gehen, bog er links ab. Ein Graben tat sich längs vor ihm auf, er sprang hinein und schlich in seinem Schutz parallel zur Straße. Im Laufen griff er sich einen vom Sturm abgebrochenen Ast, der die Länge eines Knüppels hatte. Schließlich durchquerte er wieder ein Dickicht und näherte sich in einem Bogen der Stelle, an der er vorher gestanden hatte. Vorsichtig, den Knüppel fest umklammert, setzte er einen Fuß vor den anderen und versuchte dabei, jedes Geräusch zu vermeiden. Hinter einem umgestürzten Baumriesen blieb er stehen.
    Vor ihm, nur ungefähr zehn Schritt entfernt, lehnte ein Mann an einem Baum.
    Er trug die rote Pluderhose eines Landsknechts, darüber einen grauen Rock, an dem ein Säbel und ein Pulverhorn hingen. In seiner rechten Hand hielt er wie einen Wanderstab eine Muskete. Er blickte nach vorne auf die Straße, dorthin, wo Benedikta wartete. Plötzlich richtete der Mann sich auf, führte seine Hand zum Mund und ließ das täuschend echte Krächzen eines Eichelhähers ertönen. Ein weiteres Krächzen antwortete ihm, dann noch eines; der Mann nickte befriedigt, zog einen Dolch aus dem Gürtel und begann sich in allerSeelenruhe die

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