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Die Henkerstochter und der schwarze M�nch

Titel: Die Henkerstochter und der schwarze M�nch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver P�tzsch
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Menschen gebracht, ewig sollt ihr dafür büßen!« Er schloss kurz die Augen. »Aber auch ihr seid Teil des göttlichen Plans. Bis es allerdings so weit ist ... « Kurz verschwand er aus MagdalenasBlickfeld, um Sekunden später mit einem getränkten Schwamm in der Hand wieder aufzutauchen. »Bis es soweit ist, muss ich dir dein freches Schandmaul stopfen. Unsere Reise ist noch nicht zu Ende. Dein Schreien könnte die Sache am Ende verraten.«
    Bei den letzten Worten drückte er Magdalena den Schwamm direkt aufs Gesicht.
    »Und ich will mich ihrer Kinder nicht erbarmen, denn sie sind Hurenkinder ... «, flüsterte der Mönch.
    Die Henkerstochter wand sich hin und her und versuchte vergeblich, um Hilfe zu rufen. Doch gefangen unter den Holzlatten, gelang es ihr nicht, den Kopf wegzuziehen. Wimmernd hielt sie den Atem an, während ihr Bruder Jakobus den Schwamm fester und fester ins Gesicht presste. Mit zum Himmel erhobenem Haupt murmelte er weiter vor sich hin.
    »Ihre Mutter ist eine Hure, und die sie getragen hat, treibt es schändlich. Darum siehe, ich will ihr den Weg mit Dornen versperren und eine Mauer ziehen, dass sie ihren Pfad nicht finden soll …«
    Schließlich wurde Magdalenas Drang zu atmen übermächtig. Sie öffnete den Mund zu einem lautlosen Schrei und schmeckte den bitteren Saft, der ihr nun in die Kehle lief. Mohn und den Duft von Kräutern roch sie, Pflanzen, die auch ihr Vater verwendete, wenn er armen Sündern den letzten Gang erleichtern wollte. Einbeere, Hahnenfuß, Eisenhut ... Nur noch von fern drang die Stimme des Mönchs zu ihr, die mittlerweile in einen monotonen Singsang übergegangen war.
    »Mein ist die Rache, spricht der Herr ... «
    Dann kam die Schwärze, sie sank zurück in die Kiste, die sich jetzt anfühlte wie ein Bett aus weichem Linnen. Das Letzte, was Magdalena wahrnahm, war das Geräusch eines Hammers, der auf Holz schlug.
    Der Tod klopft an die Pforte... Sie holen mich zum Jüngsten Gericht … Mit kräftigen Schlägen hämmerte Bruder Jakobus neue Nägel in den Sarg.
     
    Simon erwachte durch die hellen Glockenschläge, welche die Laudes, das Morgengebet der Benediktiner, einläuteten. Er hatte bis spät in die Nacht in den Büchern aus der Wessobrunner Klosterbibliothek gelesen, trotzdem war er nun hellwach. Schnell wusch er sich Gesicht und Hände mit dem eiskalten Wasser aus der Waschschüssel neben dem Bett und steckte sich ein Stück trockenes Brot in den Mund. Dann eilte er nach draußen. Benedikta erwartete ihn schon im Klosterhof, sie hatte sich von Abt Bernhard den Weg zur Tassilolinde beschreiben lassen. Gemeinsam durchschritten sie den Torbogen neben der Pfarrkirche, zu ihrer Linken lagen die drei vereisten Quellen und das Brunnenhäuschen. Außen an der Mauer des Klosters entlang führte ein Pfad hinunter ins Tal. Schon nach kurzer Zeit löste sich der Pfad von der Klostermauer, und sie betraten einen verschneiten Laubwald; der Weg wurde rutschig und eisig. Ein paarmal wäre Simon beinahe ausgeglitten, fluchend hielt er sich an Zweigen der eng beieinanderstehenden Bäume fest. Eine kleine Treppe mit ausgetretenen Stufen führte weiter in die Tiefe. Schließlich erreichten sie eine schattige Lichtung, in deren Mitte ein so gewaltiger Baum stand, wie sie ihn vorher noch nie gesehen hatten. Ehrfürchtig blieben sie davor stehen.
    »Die Tassilolinde«, flüsterte Simon. »Das Wort ›Baum‹ im Wessobrunner Gebet! Es muss dieser Baum sein! Jedenfalls ist er ohne Zweifel der älteste und markanteste hier in der Gegend, wenn nicht im ganzen Pfaffenwinkel.«
    Die Linde bestand aus vier Stämmen, die einem Zentrum entsprangen und nach oben auseinanderliefen. Bis in die höchsten Wipfel maß sie sicher über zwanzig Schritt. Jetzt im Winter, so ganz ohne Blätter, sah der Baum aus wie die dürre Hand einer riesigen Hexe, die ihre Finger krallenartig nach oben zum Himmel hin ausstreckte.
    Simon sah sich um. Genauso wie gestern im Eibenwald hatte er plötzlich das Gefühl, beobachtet zu werden. Er ließ seinen Blick über das Dickicht des Waldes ringsumher schweifen, konnte aber zwischen den Bäumen nichts erkennen. In der Ferne ragte das Kloster auf, irgendwo plätscherte das Rinnsal eines vereisten Baches. Eine einsame Krähe krächzte wütend; als Simon den Kopf hob, konnte er sie oben in den Ästen der Linde erkennen. Sie erhob sich und flatterte davon. Mit einem Mal legte sich eine gespenstische Stille über die Lichtung.
    »Es muss hier irgendwo einen Hinweis

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