Die Henkerstochter und der schwarze M�nch
dünnen, tastenden Finger schienen überall gleichzeitig zu sein, sie krochen zwischen ihre Schenkel und in ihr Mieder ,sie drückten sie zu Boden, während sein Mund den ihren suchte. Schreiend drehte Magdalena den Kopf hin und her, der Geruch von fauligem Fleisch ließ sie fast ohnmächtig werden. In aller Deutlichkeit sah sie dicht vor sich die schwärende Wunde, die sich von Jakobus’ Brust bis hoch zu seinem Kinn zog, ein nasser, stinkender Fleck, der schwer auf ihren Busen drückte.
»Magdalena ... «, keuchte Jakobus. »Die Sünde... Wir... können... eins ... sein ...«
Plötzlich ging ein Zucken durch seinen Körper, ein rasendesZittern, als würden ihn mehrere Teufel gleichzeitig schütteln. So schnell, wie es gekommen war, hörte es wieder auf, und Jakobus blieb wie ein nasser Sack auf ihr liegen, die Arme weit von sich gestreckt.
Eine fast lautlose Stille herrschte. Nur Magdalenas eigenes Keuchen tönte durch das Gewölbe.
Die Henkerstochter zögerte einen Moment, dann schob sie den schlaffen Körper angeekelt von sich weg. Jakobus rollte zur Seite und blieb auf dem Rücken liegen, die Augen starr nach oben gerichtet, auf den Lippen ein letztes verzücktes Lächeln. Ein feuchter Fleck breitete sich unten auf seiner Kutte aus.
»Drecksau! Drecksau! Drecksau!«
Wie besessen schlug Magdalena auf den Mann am Boden ein. Helles Blut floss aus seiner Nase und aus seinem Mund. Plötzlich fiel ihr ein, dass Jakobus vermutlich tot war.
Hektisch suchte sie in seiner Kutte nach dem Schlüssel. Dann eilte sie zur Tür und rannte nach draußen. Ein dunkler Gang tat sich vor ihr auf. Sie lief weiter, immer weiter, nur weg von diesem Mann.
In der unterirdischen Kapelle starrte Bruder Jakobus mit eingefrorenem Grinsen hinauf zur Decke, auf der ein paar nackte, dicke Englein nur für ihn zu einer himmlischen Musik tanzten.
Mit pochenden Kopfschmerzen eilte der Henker auf dem schnellsten Weg nach Rottenbuch. Er mied die Hauptstraße; zu groß war die Gefahr, dass er dort auf Menschen traf, die ihm nach der heutigen Hinrichtung nicht unbedingt wohlgesonnen waren. Kuisl wusste, dass er ihnen allen gründlich die Feier verdorben hatte. Andere Scharfrichter waren schon für weitaus geringere Vergehen an der nächsten Eiche aufgehängt worden.
Kuisls Gedanken kreisten während seines Marschs nur kurz um Hans Scheller und die vier Komplizen, die er gehängthatte. Der Schongauer Scharfrichter hatte keine Gewissensbisse. Das Henken war sein Beruf, und er tat es schnell und so schmerzfrei wie möglich. Er wusste, dass alle fünf Verurteilten selbst getötet hatten, wahrscheinlich auf weit bestialischere Art als er. Jetzt waren sie alle an einem besseren Ort, und Kuisl hatte dafür gesorgt, dass sie nicht unnötig hatten leiden müssen. Doch das Rädern war ihm immer zuwider, und so freute er sich diebisch, dass er Johann Lechner und den Schongauer Patriziern einen Strich durch die Rechnung gemacht hatte.
Auf schmalen Pfaden stapfte er durch den verschneiten Wald, den Schlapphut gegen Wind und Kälte tief ins Gesicht gezogen, den löchrigen Mantel dicht um sich gewickelt. Er ging so zielsicher wie ein Raubtier auf seiner Fährte. In Schongau hatte der Henker erfahren, dass Simon und seine Begleiterin gestern gegen Mittag Richtung Rottenbuch aufgebrochen waren. Dass sie bis jetzt nicht zurückgekommen waren, musste nichts bedeuten; trotzdem war er beunruhigt.
Kuisls Sorgen wurden größer, als er am Rottenbucher Kloster eintraf. Sofort merkte er, dass etwas nicht stimmte. Die Tür zur Kirche war mit einem breiten Riegel verschlossen und wurde von grimmig aussehenden Bütteln mit Hellebarden bewacht. Auf dem Vorplatz standen Gruppen von tuschelnden Mönchen und Handwerkern. Erst jetzt fiel dem Henker auf, dass niemand arbeitete. Die Baugerüste waren leer, keiner der Männer auf dem Platz hielt einen Eimer mit Mörtel oder auch nur eine Kelle in der Hand. Als Kuisl an einigen wild gestikulierenden Augustinern vorbeiging, lauschte er ihren Gesprächen.
»Ich sage euch, es war der Leibhaftige ... « – »Nein, die Protestanten waren’s, der Krieg geht weiter, und sie rauben uns unsere letzten Kirchenschätze ... « – »Der Teufel oder die Protestanten, das ist doch alles das Gleiche! Jedenfalls ist der Jüngste Tag nicht mehr fern!«
Jakob Kuisl hielt kurz inne. Er vermutete, dass Simon und Benedikta in einer Herberge in Rottenbuch abgestiegen waren; vielleicht wusste man dort, wo sie sich aufhielten.
Schon beim
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