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Die Henkerstochter und der schwarze M�nch

Titel: Die Henkerstochter und der schwarze M�nch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver P�tzsch
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noch schemenhaft wahrnahm. Er setzte den Kneifer ab und putzte ihn.
    Irgendetwas hatte er vergessen. Nur was?
    Die Lösung des Rätsels stimmte, davon war er überzeugt. Wenn die Lösung stimmte, aber am erwähnten Ort trotzdem nichts zu finden war, konnte das eigentlich nur eins bedeuten:
    Der Ort hatte sich verändert.
    Sein Blick glitt über das Deckengewölbe und blieb am Schlussstein ganz oben in der Mitte hängen. Eine Zahl war dort eingeritzt. Er setzte die Brille wieder auf und las sie mit zusammengekniffenen Augen.
    MDXI.
    Augustin Bonenmayr stieß einen leisen Schrei aus und ballte die Fäuste. Wie konnte er nur so dumm sein! Die Johanneskapelle, in der sie sich befanden, war erst 151 1 erbaut worden. Dies hier konnte gar nicht der richtige Ort sein! Doch der Abt wusste aus den jahrhundertalten Aufzeichnungen des Klosters, dass in Steingaden schon zuvor eine Johanneskapelle gestanden hatte.
    Nur wo...?
    Bonenmayr schloss die Augen und konzentrierte sich, nach einiger Zeit stieg eine Erinnerung in ihm auf. War das möglich? War er tatsächlich schon so nahe dran gewesen?
    Ein Lächeln breitete sich auf seinem Gesicht aus.
    »Legt die Hacken weg!«, befahl er den Mönchen. »Wir suchen an einem anderen Ort!« Er stapfte hinaus in die Dunkelheit. »Und diesmal finden wir dieses verdammte Kreuz! Und wenn ich das ganze Kloster in Schutt und Asche legen muss!«
     
    Starr vor Entsetzen spürte Magdalena, wie sich Bruder Jakobus mit seinem ganzen Gewicht auf sie warf. Sie roch das Feuer, das seine Tunika in eine gigantische Fackel verwandelt hatte. Verzweifelt versuchte sie, den brennenden Leib von sich wegzustoßen, doch die Hände des Mönchs nagelten sie auf dem Boden fest. Aus dem Augenwinkel sah die Henkerstochter eine zähe, klebrige Masse, die in langen Fäden auf sie heruntertropfte. Bruder Jakobus musste sich mit dem Pech aus dem Eimer im Gang eingerieben haben. Flammen tanzten über seine Tunika, eine knisternde Hitze, die sie fast ohnmächtig werden ließ. Der Kopf des Mönchs war jetzt ganz nah über dem ihren; das Feuer hatte seine Haare, seine Augenbrauen und seine Wimpern weggefressen. Sein Gesicht war ein schwarzes Etwas mit zwei weißen, vor Wahnsinn funkelnden Augen und einem Loch, das einmal sein Mund gewesen war und aus dem nun ein hoher, fast kindlicher Schrei drang.
    »Komm zurück, Magdalena ...!«
    Verzweifelt drehte Magdalena den Kopf zur Seite und erblickte Benedikta, die mit ihrer Pistole auf den brennenden Mönch zielte und versuchte, dabei nicht dessen Opfer zu treffen. Die Pistole schwankte hin und her, während Jakobus Magdalena noch immer am Boden festhielt. Die Mönchskutte hatte sich in Fetzen von ihm gelöst, an einigenStellen klebte sie am Körper und brannte sich in die Haut ein. Die Henkerstochter spürte, wie die Flammen nun auch an ihrem Gewand nagten.
    Ein Schuss hallte durch den Gang. Direkt neben Magdalena spritzte Gestein auf, doch Jakobus blieb weiter auf ihr sitzen. Magdalena hörte, wie Benedikta fluchte. Offenbar hatte sie danebengeschossen.
    Der Henkerstochter wurde allmählich schwarz vor Augen. Der ätzende Rauch brannte in ihren Lungen, ein stechender Schmerz lief wie eine Horde Ameisen über ihre Beine, dort, wo ihr Kleid Feuer gefangen hatte. Wieder öffnete sich der rote Schlund im verbrannten Gesicht des Mönchs.
    »MARIA MAGDALENA, VERLASS MICH NICHT! BLEIB BEI ... «
    Augustinus’ Confessiones trafen Bruder Jakobus seitlich am Kopf, ein gewaltiger, mit zwei Händen geführter Schlag, der den Mönch wie mit einem Ziegelstein niederstreckte. Simon hob das schwere Buch erneut und ließ es wieder und wieder auf den verkohlten Körper herabsausen. Das Buch fing Feuer, doch der Medicus schlug wie von Sinnen weiter auf den Mönch ein.
    Eine rußige Hand zuckte nach oben. Sie packte Simons Handgelenk und zog ihn unerbittlich zu Boden. Der Medicus taumelte und stürzte, nur einen Augenblick später war der brennende Mönch über ihm. Mit Entsetzen starrte Simon in das zu einem schwarzen Klumpen zerronnene Gesicht, in dem immer noch die weißen Augen funkelten. Verkohlte Finger legten sich um seinen Hals und drückten zu.
    Mein Gott, wie kann er noch leben?
    Das Gesicht des Mönchs kam näher und näher. Seine Hände waren wie glühende Eisenstangen, die Simons Kehle zuschnürten. Die Augen traten ihm vor.
    Er bringt mich um ... Ein Toter bringt mich um ... Oh, mein …
    Plötzlich durchlief ein Zucken den Körper des Mönchs.Sein Blick ging ins Leere, und mit einem

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