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Die Henkerstochter und der schwarze M�nch

Titel: Die Henkerstochter und der schwarze M�nch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver P�tzsch
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Ich schlage vor...«
    Ein leises Knarzen über ihnen ließ den Abt aufhorchen. Dann erklang ein Rumsen, als würde ein schwerer Sack zu Boden fallen.
    »Bruder Johannes!«, rief Bonenmayr. »Was in aller Welt machst du dort oben?«
    Der Mönch über ihnen gab keine Antwort.
    »Verdammt noch mal, Johannes, ich habe dich etwas gefragt!«
    Wieder blieb es still.
    Der Abt wandte sich an Bruder Nathanael. »Ich möchte, dass du dort oben nach dem Rechten siehst. Wir haben keine Zeit für derlei Kinderkram.«
    Nathanael nickte, dann nahm er den Dolch zwischen die Zähne und hangelte sich am Seil des Flaschenzugs zur Bühne empor.
    Augustin Bonenmayr schritt derweil die Grabplatten ab. Sie zeigten gekreuzte Knochen und Totenschädel, gelegentlich war ein Mönch mit geschlossenen Augen und verschränkten Armen zu sehen, römische Jahreszahlen wiesen jeweils auf den Zeitpunkt des Todes hin.
    An einer besonders verwitterten Platte blieb Bonenmayr plötzlich stehen.
    »Merkwürdig, diese Inschrift ist mir bislang noch gar nicht aufgefallen«, sagte er und tippte mit spitzen Fingern auf die Platte. »Ein Abt mit diesem Namen ist mir unbekannt.« Er beugte sich mit dem Kneifer ganz nah darüber. »Und auch die Jahreszahlen können so nicht stimmen. «
    Er wischte den Staub von der Inschrift, so dass die Buchstaben unter den gekreuzten Knochen gut leserlich waren. H. Turris. CCXI.
    »Was soll das bedeuten?«, murmelte Bonenmayr. »Vielleicht ein ehrenwerter Horazio Turris, gestorben im Jahre 211 des Herrn ...? Ein römischer Offizier, der hier die letzte Ruhe fand?«
    Bruder Lothar nickte beflissen. »Ihr sagt es, Hochwürden.«
    »Dummkopf!« Der Abt sah den Mönch streng von der Seite an. »Dieses Kloster ist alt, aber so alt nun auch wieder nicht.«
    »Womöglich ist ja nur das M für die Zahl Tausend zu sehr verwittert«, warf Bruder Lothar schnell ein, um seinen Fehler wiedergutzumachen. »Könnte es nicht MCCXI, also Anno Domini 1211, heißen?«
    Der Abt schüttelte nachdenklich den Kopf. »Dann wären auch die anderen Zahlen verwittert. Nein, da steckt etwas anderes dahinter. Gib mir deine Fackel, schnell!«
    Der verdutzte Mönch sah zu, wie Bonenmayr die Fackel nahm und mit ihr die Inschrift noch einmal in den staubigen Steinboden zeichnete.
    »H. Turris CCXI«, murmelte der Abt und blickte konzentriert auf den Namen und die daruntergekritzelte Jahreszahl. Plötzlich schien ihn ein Gedanke zu packen. Wild fing er an, Buchstaben in den Staub zu schreiben und wieder wegzuwischen, immer und immer wieder. Bruder Lothar sah ihm verwirrt zu.
    »Hochwürden, was um Himmels willen …!«
    »Halt den Mund und gib mir lieber mit der anderen Fackel dort drüben Licht«, knurrte Bonenmayr. Schweigend hielt der Mönch die Fackel, die Nathanael unten gelassen hatte, und beobachtete, wie die Buchstaben durch die Hand des Abts im Staub erschienen und sofort wieder verschwanden.
    Schließlich hielt Augustin Bonenmayr inne. Das Gesicht nur spärlich beleuchtet, die Augen hinter dem Kneifer zu schmalen Schlitzen verengt, grinste er wie ein Schulbub und deutete auf die Buchstaben am Boden. Unter dem Namen und dem Todesjahr standen nun zwei neue Wörter.
    Es waren zwei sehr bekannte Wörter.
    Crux Christi … »H. Turris CCXI wird zu Crux Christi. Das Kreuz Christi«, murmelte Bonenmayr. »Ein Anagramm. Sie haben einfach die Buchstaben vertauscht ... Diese verdammten Templer und ihre Rätsel! Aber jetzt ist Schluss damit.« Er deutete auf die Grabplatte. »Schlag endlich die Platte ein.«

15
     
    D ie Stimmen tönten gedämpft durch die Tür, wurden lauter und lauter, bevor sie plötzlich verstummten. Simon hielt den Atem an. Er war sich sicher, dass er den Steingadener Abt gehört hatte. Waren sie etwa über einen Geheimgang zur Johanneskapelle gelangt? Aber der Weg war ihm viel länger vorgekommen ... Der Medicus hatte jegliche Orientierung verloren. Mit dem Finger vor dem Mund bedeutete er den beiden Frauen, sich still zu verhalten. Nach einer Weile drang das Geräusch einer Hacke zu ihnen hinüber. Jemand schien in dem Raum hinter der Tür gegen eine Steinplatte zu schlagen.
    Simon drückte vorsichtig die verrostete Klinke. Wider Erwarten öffnete sich die mit Grünspan überzogene Pforte einen Spaltbreit, dann klemmte sie. Der Medicus blickte durch den Schlitz, konnte aber nicht mehr erkennen als ein paar unförmige Trümmer, die ihm die weitere Sicht versperrten. Mit der Schulter drückte er gegen die niedrige Holztür, quietschend

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