Die Henkerstochter und der schwarze M�nch
letzten leisen Zischen, wie wenn man eine Flamme löscht, kippte er langsam zur Seite. Der Mund öffnete sich zu einem lautlosen Schrei, dann herrschte Stille.
Hinter dem Mönch stand Magdalena, in der rechten Hand einen blitzenden silbernen Gegenstand, von dem Blut zu Boden tropfte. Die Henkerstochter sah das Ding an, als würde ihr erst jetzt klarwerden, mit was sie eigentlich zugestochen hatte.
»Ein ... Siegelöffner«, sagte sie schließlich. »Ich habe ihn aus der Bibliothek mitgenommen. Ich dachte, ich könnte ihn vielleicht noch ... brauchen.«
Sie warf ihn zu Boden und streifte sich die Hände an ihrem rußigen Kleid ab.
Simon richtete sich keuchend auf und sah sie an. Magdalenas Rock war am Saum verbrannt, auch am Mieder zeigten sich Brandlöcher, das volle schwarze Haar war an einigen Stellen angekokelt. Ein leises Zittern ging durch ihren Körper, ihr Blick schweifte ins Leere. Doch dann schien sie ihre Fassung zurückzugewinnen. Simon empfand fast ein wenig Stolz, dass er dieses Mädchen lieben durfte.
Sie ist eine echte Kuisl, dachte er. Einfach nicht kleinzukriegen …
Mit dem Fuß stieß Magdalena das verkohlte Bündel, das einmal Bruder Jakobus gewesen war, beiseite.
» Er hatte irgendeine Krankheit, die ihn langsam wahnsinnig gemacht hat«, flüsterte sie. »Was für eine grausame Art zu sterben …«
»Nicht grausamer als das, was dein Vater mit mir und dem Medicus anstellt, wenn er uns wegen Reliquienschändung auf dem Scheiterhaufen verbrennt«, sagte Benedikta. »Und jetzt weiter.«
Noch immer standen sie an der Abzweigung. Simon sah sich nach allen Seiten um.
»Wohin?«, fragte er.
Benedikta blickte prüfend nach rechts. »Dieser Mönch hat dem Mädchen jeden Tag zu essen und zu trinken aus dem Kloster gebracht. Bestimmt wollte er auch jetzt dorthin fliehen und hat sich dann anders entschieden. Lasst uns nach rechts gehen.«
Sie folgten ihr den schmalen Gang entlang, der über breite Stufen langsam anstieg. Schon nach kurzer Zeit standen sie vor einer massiven Holztür.
Benedikta grinste und machte eine leichte Verbeugung. » Voilà, der Eingang zum Kloster!« Dann drückte sie die Klinke nach unten.
Die Tür war verschlossen.
Nachdem sie ein paarmal gerüttelt hatte, warf sie sich schließlich mit ihrem ganzen Gewicht dagegen. Die Tür ächzte und zitterte, doch sie hielt.
»Seid Ihr wahnsinnig!«, zischte Simon. »Ihr weckt ja das ganze Kloster auf! «
Benedikta sah ihn zornig an. »Ach? Habt Ihr eine bessere Idee, um hier rauszukommen?«
»Lasst uns zunächst den anderen Gang untersuchen«, warf Magdalena ein. »Wir können dann immer noch hierher zurückkommen und versuchen, die Tür einzuschlagen.«
Benedikta nickte. »Kein schlechter Vorschlag, Henkerstöchterlein. Also los!«
Sie liefen den Gang zurück, an der Abzweigung vorbei, in die andere Richtung. Im Gegensatz zu vorher wand sich der niedrige Tunnel diesmal schier endlos durch die Dunkelheit. Simon brachte es immer noch nicht übers Herz, eines der Bücher zu entzünden; die Zerstörung der Confessiones war das Äußerste, wozu er fähig gewesen war. So folgte er den beiden Frauen, die ihm mit brennenden Pergamentseiten den Weg wiesen. Wenn er vorhin richtig hingesehen hatte, gingen soeben Aristoteles und Thomas von Aquin in Flammen auf. Aber so genau wollte er es eigentlich gar nicht wissen.
Schließlich endete der Gang an einer niedrigen, mit rostigen Eisenspangen beschlagenen Tür. Sie sah sehr viel älter aus als die Tür am anderen Ende des Ganges. Klinke und Schloss waren mit Grünspan überzogen und schienen schon seit langer Zeit nicht mehr angerührt worden zu sein.
»Und?«, fragte Benedikta und machte eine einladende Handbewegung zu Simon hin. »Wollt Ihr diesmal Euer Glück versuchen?«
In diesem Moment hörten sie hinter der Tür Stimmen. Auf der anderen Seite näherte sich jemand.
Das Komödienhaus stand direkt an der Ostseite der Mauer, die das Klostergelände umgab. Es war noch nicht ganz fertig, trotzdem konnte man jetzt schon erkennen, wie es wohl einmal aussehen würde. Es hatte zwei Stockwerke; an den Ecken befanden sich turmähnliche Erker, an denen Wasserspeier mit dämonischen Fratzen angebracht waren. Über dem Hauptportal prangten das Wappen des Klosters und ein Relief, das eine lachende und eine weinende Maske zeigte.
Augustin Bonenmayr stapfte mit weit ausholenden Schritten auf das Gebäude zu, so dass die anderen Mönche Schwierigkeiten hatten, ihm zu folgen. Das Theater war
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