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Die Henkerstochter und der schwarze M�nch

Titel: Die Henkerstochter und der schwarze M�nch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver P�tzsch
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eines seiner ehrgeizigsten Projekte, er hatte lange gebraucht, es gegenüber seinen Mitbrüdern durchzusetzen. Ebenso wie die Jesuiten wollte der Steingadener Abt die Menschen mit Licht, Musik und farbigen Kulissen für den rechten Glauben gewinnen. Theater war eine göttliche Waffe im Kampf gegen die nüchterne, sinnesfeindliche Reformation, doch noch brauchte es viel Vorstellungskraft, um Bonenmayrs Traum vom göttlichen Theater mit Leben zu füllen. Ohne in seinem schnellen Gang innezuhalten, drückte der Abt gegen das zweiflüglige Portal und betrat das Innere des Komödienhauses. Die Fackeln, die die Mönche mitgebracht hatten, tauchten den Zuschauerraum in ein fahles Licht,Schatten tanzten über die nackten Wände und Galerien. Vorne befand sich eine fast zwei Schritt hohe Bühne aus gehobeltem Fichtenholz, vor der ein leerer Orchestergraben gähnte. Statt Kulissen lagen Stoffbündel und Bretterhaufen herum, Seile und Flaschenzüge baumelten von der unverputzten Decke.
    Augustin Bonenmayr sah sich nach seinen Gefolgsleuten um, während er die schmale Treppe zur Bühne hocheilte.
    »Schneller! Bei Gott, schneller! Wir sind gleich da!«
    Der Abt schob ein Stoffbündel zur Seite und trat auf ein hölzernes Quadrat in der Mitte der Bühne, das fast unsichtbar im Boden eingelassen war. Dann deutete er auf einen der vielen Flaschenzüge, die an der Wand entlangliefen.
    »Der rechte Hebel!«, rief er Bruder Johannes zu. »Leg ihn um und lass das Seil langsam herab.«
    Während die anderen sich mit ihm auf das Quadrat stellten, rollte Bruder Johannes vorsichtig das Tau ab. Ratternd und ächzend versank die Plattform mit dem Abt und den anderen in der Tiefe.
    »Eine Falltür, mit deren Hilfe der Teufel, die Engel oder auch der Heiland selbst auftauchen oder verschwinden können«, erklärte Bonenmayr Bruder Nathanael, der sich anerkennend umblickte. Das Gesicht des Steingadener Abts bekam einen verträumten Ausdruck. »Ich habe überall Flaschenzüge einbauen lassen. Es wird Seitenkulissen geben, aufrollbare Vorhänge und sogar eine Wolkenmaschine! Schon bald werden die Menschen, wenn sie hier nach der Vorstellung in die Welt hinausgehen, das Gefühl haben, Gott begegnet zu sein! Das Paradies auf Erden sozusagen! Ecce homo, wir sind da ...«
    Knirschend setzte die Plattform auf dem Steinboden des Kellers auf. Der dunkle Raum, in dem sie sich nun befanden, schien aus unzähligen Nischen und Ecken zu bestehen; überall ragten Säulen auf, die in regelmäßigen Abständen die niedrige Decke stützten, verwitterte Grabplatten bedecktenWände und Boden. Die tatsächliche Größe des Gewölbes ließ sich nur erahnen, da es vollgestellt war mit modrigen Kisten, Regalen und Truhen. Eine morsche Marienfigur lehnte gleich neben dem Flaschenzug an der Wand, von der Zeit und vom Taubenkot zerfressene steinerne Putten und Wasserspeier lagen verstreut über den Boden. Dazwischen standen einige merkwürdige Apparate, deren Funktion sich auf den ersten Blick nicht erschloss.
    »Wir haben diesen Keller bei den Bauarbeiten für das Komödienhaus gefunden«, sagte Bonenmayr, während ihm Bruder Lothar eine Fackel reichte. »Ein altes Kirchengewölbe, das im Großen Krieg wohl als Versteck diente und dann vergessen wurde. Zuerst wollte ich die Gräber auf den Friedhof überführen und den Keller zuschütten lassen. Doch dann dachte ich mir, ich könnte ihn für die Bühnenmaschinerien und als Lagerraum für die Kostüme nutzen. Und jetzt ... « Er trat an eine Grabplatte und strich darüber. »Ich spüre, dass wir fast am Ziel sind«, flüsterte er.
    »Dies soll die alte Johanneskapelle sein?«, fragte Bruder Nathanael skeptisch. »Warum seid Ihr Euch so sicher? Das Steingadener Kloster ist uralt. Es könnte doch genauso gut irgendeine andere vergessene Krypta sein.«
    Der Abt schüttelte den Kopf und wies auf die Grabplatten. »Seht euch die Inschriften an! «, flüsterte er. »Das sind die Gräber von Äbten und anderen geistlichen Würdenträgern des Klosters. Ich habe mir die Sterbedaten bereits genauer angesehen, der jüngste Eintrag ist von 1 503. Die Johanneskapelle neben der Kirche wurde aber 151 1 erbaut! Also nur acht Jahre später. Das kann kein Zufall sein! Ich bin sicher, wir stehen hier in der Krypta der ehemaligen Johanneskapelle. Sie ist in all den Jahren, in denen hierzulande Krieg herrschte, schlicht vergessen worden!« Er fing an, die Grabplatten abzuklopfen. »Jetzt brauchen wir nur noch den Eingang zum Versteck finden.

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