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Die Henkerstochter und der schwarze M�nch

Titel: Die Henkerstochter und der schwarze M�nch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver P�tzsch
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diesem Moment ertönte ein feines Surren, so leise, dass es einem ungeübten Ohr nicht weiter aufgefallen wäre. Doch Nathanael hatte nicht die Attacken von einem halben Dutzend Meuchelmörder in den spanischen Provinzen überlebt, um jetzt in einem Theater im beschaulichen Pfaffenwinkel sein Ende zu finden. Mit voller Wucht warf er sich nach vorne, gerade noch rechtzeitig, bevor der zentnerschwere Bühnenvorhang von der Decke auf ihn herabrauschte. Donnernd fiel der Stoff zu Boden und begrub Kerzen, Kandelaber und den Kopf von Bruder Johannes, dessen Stöhnen abrupt verstummte.
    Nathanael sprang auf und blickte zur Decke. Seine Augen wanderten über die Galerien und Seitentreppen, die nach oben führten; nervös spielte er mit dem Dolch in seiner Hand.
    »Komm raus, wer immer du auch bist!«, rief er. »Feiger Hund, du! Kämpf wie ein Mann!«
    Plötzlich sah der Mönch aus dem Augenwinkel eine kleine Flamme hell auflodern, die schnell größer wurde. Nathanael fluchte. Offenbar hatten die heruntergefallenen Kerzen den Vorhang in Brand gesetzt!
    Schon wollte er die Flamme austreten, als hinter ihm das Rattern einer Seilwinde ertönte. Der Mönch drehte sich um und sah eine massige Gestalt, die sich mit der linken Hand gemächlich an einem Bühnenseil von der Decke gleiten ließ.In der Rechten schwang sie einen kurzen, aber sehr massiv aussehenden Holzknüppel.
    »Keiner nennt mich einen feigen Hund«, knurrte der Henker. »Vor allem du nicht. Ihr habt’s mich damals zu dritt in der Dunkelheit überwältigt. Aber für dich brauch ich keine Dunkelheit. Dich windigen Schwarzkittel mach ich auch so kalt.«
    Mit einem weiten Schritt stieg Jakob Kuisl über den brennenden Vorhang. Die Flammen tauchten die Bühne in ein zuckendes Licht, als der Henker sich mit erhobenem Knüppel dem abwehrbereiten Mönch näherte.
     
    Simon schob seinen Kopf an der Wand entlang, bis er einen Blick hinter die zerborstene Grabplatte werfen konnte. Der niedrige Raum dahinter war nur einige Schritt lang und breit, ein modriger Geruch drang daraus hervor. Vom Fackelschein erleuchtet, knieten der Abt und sein Gehilfe an der gegenüberliegenden Seite vor einem schlichten Steinaltar, über dem ein einfaches Holzkreuz hing. Es war etwa schulterhoch und sah alt und sehr verwittert aus. Rostige Nägel hielten es nur notdürftig zusammen, es wirkte schief und krumm, und an einigen Stellen schien es verkohlt zu sein. Trotzdem neigte Augustin Bonenmayr sein Haupt, als würde die Mutter Maria leibhaftig vor ihm stehen. Nach einer Weile beendete er sein Gebet, hob die Reliquie behutsam von der Wand und küsste sie.
    »Das Kreuz Christi«, flüsterte er. »Dieses Holz hat einst der Heiland berührt. Sieh selbst ... « Er zeigte auf eine Stelle am rechten Seitenbalken; beflissen beugte Bruder Lothar sich darüber, um mehr zu erkennen. »Hier, das Loch!«, sagte der Abt. »Seine Hand muss dort festgenagelt gewesen sein!«
    »Hochwürden ... «, flüsterte Bruder Lothar so leise, dass ihn Simon kaum noch verstehen konnte. »Das Kreuz ... ich dachte immer, es wäre viel größer ...«
    »Trottel!« Augustin Bonenmayr gab seinem Gehilfen einen Stoß vor den Kopf. »Dies ist nur ein Teil des wahren Kreuzes. Der Rest ist zerstört! Es war die Aufgabe der Templer, das Kreuz Christi während der Kreuzzüge in jeder Schlacht mitzuführen und zu beschützen. Doch bei Hattin haben sie versagt! Das Kreuz gelangte in die Hände der Feinde und wurde fast vollends zerstört. Der Kreuzträger war ein Vorfahr dieses elenden Friedrich Wildgraf!« Die Hände des Abts krallten sich um das verwitterte Holz. »Er hat einen Teil retten können und für sich behalten. Seitdem galt das Kreuz als verschollen. Doch nun ist es wieder aufgetaucht, hier bei uns in Steingaden. Wer hätte das gedacht?« Bonenmayr streichelte die zwei morschen Querbalken wie eine lang vermisste Geliebte.
    Simon spürte, wie sich Magdalena hinter ihm drängte, um auch etwas sehen zu können. Ihr weicher Körper schob sich ganz nahe an seinen heran, er spürte ihren warmen, leicht sauer riechenden Atem auf seinem Hals.
    »Simon, red schon!«, flüsterte sie. »Was geht dort vor?«
    Sie drückte sich noch enger an ihn, zu eng, denn plötzlich spürte Simon, wie er das Gleichgewicht verlor. Er fiel nach vorne, und mit einem knirschenden Geräusch stürzte er auf die Trümmer der Grabplatte.
    Augustin Bonenmayr fuhr herum, sein Gesicht verzog sich zu einer Maske des Hasses.
    »Fronwieser! «, zischte er. »Ich

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