Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Henkerstochter

Titel: Die Henkerstochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver P�tzsch
Vom Netzwerk:
bei der Jungfrau Maria?«
    »Bei allen Heiligen und Teufeln, wenn’s sein muss!«
    Leichtfüßig sprang Magdalena von der Mauer und landete direkt neben Simon. Der Henker hob drohend die Hand, ließ sie dann aber mit einem Seufzer wieder sinken.
    »Und noch eins«, flüsterte Magdalena. »Wenn ihr das nächste Mal vor einem verschlossenen Tor steht, dann schaut euch einfach ein wenig um. Manchmal kann man da richtig kleine Schätze entdecken.« Sie hielt einen großen blanken Schlüssel in der Hand.
    »Wo hast du den her?«, fragte Simon.
    »Aus einer Nische im Torbogen. Die Mutter versteckt den Hausschlüssel auch immer im Mauerwerk.«
    Mit flinken Fingern steckte sie den Schlüssel ins Loch, drehte ihn einmal um, und mit leisem Quietschen öffnete sich das Gatter. Der Henker drückte sich schweigend an seiner Tochter vorbei und eilte zurück Richtung Lechtor.
    »Jetzt kommt schon!«, zischte er. »Die Zeit drängt!«
    Simon musste grinsen. Dann nahm er Magdalena an der Hand und lief ihm hinterher.
     
    Sophie hielt den Atem an, als zum wiederholten Mal Schritte ganz nah an ihrem Versteck vorbeigingen. Stimmen hallten zu ihr und der mittlerweile ruhig schlafenden Clara hinunter. Seit dem letzten großen Fieber heute Mittag ging Claras Atem immer regelmäßiger. Sie schien auf dem Weg der Besserung. Sophie beneidete Clara um den Schlaf. Seit vier Nächten hatte sie kaum mehr ein Auge zugetan. Immer trieb sie die Angst, entdeckt zu werden. Und jetzt waren dort oben schon wieder Schritte und Stimmen zu hören. Männer tappten über das Gelände Auch sie schienen etwas zu suchen. Aber es waren andere als beim letzten Mal.
    »Das macht doch keinen Sinn, Braunschweiger! Da können wir graben bis zum Sankt Nimmerleinstag, das Gelände ist viel zu groß!«
    »Halt’s Maul und such weiter. Irgendwo hier liegt ein Haufen Geld, den lass ich nicht verfaulen.«
    Die Stimmen waren jetzt wieder genau über ihnen. Sophie stutzte. Sie kannte eine von ihnen. Angst kroch aus ihrem Bauch langsam die Kehle hoch. Mühsam unterdrückte sie einen Schrei.
    Von etwas weiter weg rief ein anderer Mann den beiden zu: »Habt ihr schon in der Kapelle nachgesehen? Esmuss hier irgendwo sein! Sucht nach einem Eingang, einem Loch, vielleicht eine lose Bodenplatte ... «
    »Machen wir gleich!«, erklang die Stimme über ihr. Dann wurde sie plötzlich leise. Der Mann schien jetzt zu demjenigen zu sprechen, der neben ihm stand. »Fauler Pfeffersack! Sitzt da unter der Linde und meint, er muss den Aufseher spielen. Aber warte nur, wenn wir den Schatz erst gefunden haben, dann schneid ich ihm eigenhändig die Kehle durch und bespreng mit dem Blut die Kapelle!«
    Sophie presste ihre Hände auf den Mund, beinahe hätte sie laut aufgeschrien. Auch die zweite, entfernte Stimme, die vom Mann unter der Linde, kannte sie. Sie würde beide nie vergessen.
    Sie erinnerte sich.
     
    »Kleine Kröte, was muss er uns auch belauschen. Jetzt saufen sein Blut die Fische. Lass uns nach den anderen sehen...«
    »Heilige Mutter Maria, hat das sein müssen? Hat das sein müssen? Schau dir die Sauerei an! Sie werden nach dem Jungen fragen!«
    »Ach was, das spült der Fluss fort. Lasst uns lieber die anderen fangen. Sie dürfen uns nicht entkommen.« »Aber ... das sind doch nur Kinder!«
    »Auch Kinder können tratschen. Willst du, dass sie dich verraten? Willst du das?«
    »Nein ... natürlich nicht.«
    »Dann stell dich nicht so an. Elende Pfeffersäcke, verdienen ihr Geld mit Blut, aber können keins sehen. Das wird dich noch was kosten!«
     
    Elende Pfeffersäcke … Sophies Atem raste. Der Teufel war da, ganz nah, er war direkt über ihnen. Drei von ihnen hatte er schon erwischt. Nur noch sie und Clara waren übrig. Und jetzt würde er auch sie bekommen. Es gab kein Entkommen. Er roch sie bestimmt.
    »Warte mal, ich habe eine Idee, wo der Schatz sein könnte«, hallte die Stimme. »Was hältst du davon, dass ...«
    In diesem Moment ertönte draußen ein Schrei. Weiter entfernt stöhnte jemand vor Schmerz.
    Kurze Zeit später brach die Hölle los. Sophie hielt sich die Ohren zu und hoffte, dass alles nur ein böser Traum war.
     
    Simon fluchte, als er zum wiederholten Mal im morastigen Grund der Lehmgrube ausrutschte und in die rötliche Brühe fiel. Seine Hose war über und über mit Lehm verschmiert, die Stiefel sogen sich schmatzend fest, so dass er sie nur mit Mühen wieder frei bekam. Am oberen Rand der Grube standen der Henker und seine Tochter und blickten

Weitere Kostenlose Bücher