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Die Henkerstochter

Titel: Die Henkerstochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver P�tzsch
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Nachbarstadt nicht noch weiter zu reizen, in die kleine, aber komfortablere Stube im Ballenhaus gesperrt.
    Die Schongauer schienen sich mit ihrem Schicksal vorläufig abgefunden zu haben. Beide hatten sich in eine Ecke ihrer Zelle verzogen und dösten vor sich hin. Als der Flößer den Henker sah, sprang er auf und rüttelte an den Gitterstäben.
    »Kuisl, schau her! Die sperren uns mit der Hexe zusammen. Mach was, bevor sie uns verzaubert«, rief er. »Halt’s Maul.«
    Der Henker würdigte ihn keines Blickes und ging zur Nachbarszelle.
    Der Büttel hatte Martha Stechlin wieder eingesperrt, ihr aber gnädigerweise die Kleider zurückgegeben. Sie hatte sich in eine Ecke verkrochen und bedeckte mit beiden Händen ihren kahlgeschorenen Kopf. Als Kuisl zu den Gitterstäben hintrat, huschte eine Ratte zwischen seinen Füßen durch.
    »Martha, es ist wichtig«, sagte er. »Schau zu mir auf. « Die Hebamme blinzelte ihn an.
    »Ich brauch die Namen der Kinder«, flüsterte er. »Welche Namen?«
    Der Henker hielt sich den Finger vor den Mund und wies auf die Nachbarszelle. Dann flüsterte er weiter.
    »Die Namen der Kinder, die in der Nacht vor dem Mord bei dir waren. Jeden einzelnen. Wenn wir dich hier rausbringen wollen, muss ich erfahren, was geschehen ist. «
    Martha Stechlin nannte ihm die Namen. Es waren fünf. Alle außer Peter Grimmer waren Waisenkinder. Zwei von ihnen lebten nicht mehr.
    Gedankenverloren trommelte Jakob Kuisl gegen dieGitterstäbe. Diese Kinder mussten irgendein Geheimnis haben. Teilnahmslos trat er mit dem Fuß gegen eine weitere Ratte und schleuderte sie in eine Ecke, wo sie quiekend verendete.
    »Bis morgen, Martha«, sagte er, jetzt wieder lauter. »Morgen wird’s vielleicht ein bisserl wehtun. Aber du musst stark sein.«
    »Ha, schreien wird’s, die Hex! Und mir sind ganz nah dabei, ganz nah.«
    Georg Rieggs Stimme tönte zu ihnen herüber. Der Fuhrmann rüttelte wieder an den Stäben. Gleichzeitig stieß er den dösenden Floßwächter mit dem Fuß an, so dass dieser mit einem Ruck hochfuhr und ihn erschreckt ansah.
    »Sei still, Riegg«, flüsterte der Wächter. »Sei froh, wenn’s uns nicht selber peinigen.«
    Der Henker ging hinaus in die Nacht. An der nächsten Ecke blieb er jedoch wie angewurzelt stehen.
    Vom Marktplatz kamen ihm Menschen mit Fackeln entgegen.
     
    Als Simon Fronwieser das Haus der Schreevogls erreicht hatte, um nach dem kranken Kind zu sehen, merkte er sofort, dass etwas nicht in Ordnung war. Vor der Tür war ein Dutzend Leute zusammengelaufen. Ein paar hatten in der beginnenden Dunkelheit Laternen angezündet. Das Flackern erzeugte überlebensgroße Schattenrisse an den Hauswänden, die Gesichter der Neugierigen waren in mattes, rotes Licht getaucht. Es wurde getuschelt, immer wieder zeigte jemand nach oben zum ersten Stock. Simon hörte jemand sagen: »Er ist aus dem Fenster geflogen und hat sie mitgenommen. Der leibhaftige Teufel, so wahr ich hier stehe!« Ein anderer verfluchte die Stechlin und wollte sie noch heute brennen sehen.
    Direkt über dem Medicus waren die Läden eines Fensters weit geöffnet. Der rechte Fensterladen schwang schief in der unteren Angel, als hätte sich ein schwerer Mensch daran festgehalten. Scherben von Butzenglas lagen verstreut auf der Straße. Aus den oberen Gemächern war das Schluchzen einer Frau zu hören. Gerade eben setzte sie wieder an zu einem hohen Wehgeschrei, dass Simon glaubte, auch die restlichen Butzenscheiben müssten zerspringen.
    Der Medicus bahnte sich seinen Weg durch die Menge und begab sich die breite, mit schweren Teppichen belegte Treppe hinauf in den ersten Stock. Das Geschrei kam aus dem Raum zur Linken. Eine Magd und ein Diener standen mit leichenblasser Miene davor. Die Magd murmelte Gebete und ließ einen Rosenkranz durch ihre Finger gleiten. Simon betrachtete die zerstörte Tür. Das dünne Holz in der Mitte war herausgebrochen worden, die Splitter lagen auf dem Teppich. Durch das brusthohe Loch konnte Simon Maria Schreevogl bäuchlings auf dem Bett liegen sehen, die Finger in die Daunendecke gekrallt, den Kopf ins Kissen gedrückt. Jakob Schreevogl saß neben ihr auf der Bettkante und fuhr seiner Gattin durchs Haar, während er beruhigende Worte murmelte. Zwei Stühle im Zimmer waren umgeworfen, ein Bild der Jungfrau Maria lag mit zerbrochenem Rahmen am Boden. Quer über ihrem friedlich lächelnden Gesicht prangte ein Stiefelabdruck.
    Als Jakob Schreevogl den Medicus an der zersplitterten Tür stehen sah,

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