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Die Henkerstochter

Titel: Die Henkerstochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver P�tzsch
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Stadl. Noch war sich Lechner nicht sicher, ob zwischen beidem ein Zusammenhang bestand. Gut möglich, dass die Augsburger den Stadl angezündet hatten, das Transportmonopol der Schongauer war ihnen schon lange ein Dorn im Auge. Und – hatten sie es vor langer Zeit nicht schon einmal getan? Der Schreiber beschloss, in den Akten nachzusehen.
    Dass die Augsburger Flößer Schongauer Kinder umbringen sollten, das schien ihm aber dann doch zu weit hergeholt. Auf der anderen Seite ... ein abgebrannter Stadl, grausige Morde, dann in naher Zukunft noch das vermaledeite Siechenhaus vor der Stadt, nur weil die Kirche sich so etwas einbildete. Es gab fürwahr viele Gründe, Schongau zurzeit zu meiden und eine andere Reiseroute zu wählen. Insofern profitierten von all den Schrecknissen in der Stadt vor allem die Augsburger. In seiner langen Zeit als Schreiber im Rat hatte Lechner neben vielen anderen Dingen vor allem eines gelernt: Wenn du wissen willst, wer für etwas verantwortlich ist, bedenke, wem die Sache nützt.
    Cui bono...?
    Lechner tauchte seinen Kopf im warmen Wasser unter und genoss, wie ihn Wärme und Stille umschlossen. Endlich Ruhe, kein Palaver mehr, keine keifenden, nur auf deneigenen Vorteil sinnenden Ratsherren, keine Intrigen. Nach einer Minute ging ihm die Luft aus, und er musste prustend auftauchen.
    Egal, ob zwischen dem Brand und den Morden ein Zusammenhang bestand, es gab ein sicheres Mittel, um wieder Frieden in seiner Stadt einkehren zu lassen: Die Stechlin musste gestehen. Im Feuer des Scheiterhaufens würden sich alle Probleme in Rauch auflösen. Schon morgen würde er mit der Befragung fortfahren, selbst wenn sie ohne Beschluss aus München ungesetzlich war.
    Vielleicht würden sich dann die Vernehmungen des streitsüchtigen Schongauers Riegg und dieses frechen Augsburgers ganz von selbst erledigen. Ein Flößer der Fugger! Als wenn so etwas bei ihm, Lechner, Eindruck machen würde! Alleine wegen dieses anmaßenden Auftretens würde er ihn noch ein paar Tage im Ballenhaus unter Arrest halten.
    Es klopfte an der Tür, ein Diener kam herein und brachte einen weiteren dampfenden Eimer. Lechner nickte ihm gefällig zu, und ein Schwall heißen Wassers ergoss sich über den verspannten Rücken des Schreibers. Als der Diener sich wieder entfernt hatte, griff Lechner zur Wurzelbürste. Es klopfte ein zweites Mal. Entnervt ließ er die Bürste sinken.
    »Was ist?«, brummte er in Richtung Tür.
    Die Stimme des Dieners klang verängstigt. »Mein Herr, verzeiht die Störung ... «
    »Was los ist, soll er sagen!«
    »Es hat einen neuen Vorfall gegeben. Man sagt, der … der Teufel sei mit der kleinen Clara Schreevogl davongeflogen, und jetzt läuft das Volk zur Feste und will die Stechlin brennen sehen. Sie haben Piken und Lanzen und Fackeln ... «
    Fluchend warf der Schreiber die Wurzelbürste ins Wasser und griff nach einem trockenen Leintuch. Kurz dachte er daran, die Dinge einfach geschehen zu lassen. Je eher die Stechlin brannte, umso besser. Aber dann fiel ihm ein, dass er immer noch das Gesetz in Schongau war.
    Hastig schlüpfte er in sein Hemd. Die Stechlin sollte brennen. Aber erst dann, wenn er es befahl.
     
    Der Henker sah die Menge und wusste im selben Augenblick, wohin sie wollte. Er drehte um, lief die paar Meter zurück und stellte sich breitbeinig vor den Eingang der Feste. Der bullige Turm hatte nur diesen einen Einlass. Wer zur Stechlin wollte, musste jetzt an ihm vorbei. Mit schmalen Augen und verschränkten Armen erwartete er die Gruppe, die mittlerweile auf zwei Dutzend Mann angewachsen war. Im Schein der Fackeln erkannte Kuisl die üblichen Streithähne, der Bäcker Michael Berchtholdt marschierte in der ersten Reihe. Aber auch ein paar Söhnchen der Ratsherren waren darunter. Er konnte sogar den jüngsten Sprössling von Bürgermeister Semer ausmachen. Viele aus der Meute trugen Piken und Sensen. Als sie den Henker sahen, hielten sie inne. Gemurmel war zu hören. Dann wandte sich Berchtholdt mit einem breiten, beifallsheischenden Grinsen an ihn.
    »Wir holen uns die Hex!«, schrie er. »Gib den Schlüssel raus, Kuisl, sonst geschieht ein Unglück.«
    Zustimmende Rufe ertönten, aus der Dunkelheit flog ein Stein auf ihn zu, der an seiner Brust abprallte. Der Henker wich keinen Zentimeter. Stattdessen musterte er Berchtholdt mit kühlem, abschätzendem Blick.
    »Spricht da der gewählte Zeuge der peinlichen Befragung von heute früh oder ein Aufrührer, den ich noch diese Nacht am

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