Die Henkerstochter
und her.
»Servus, Josef«, sagte Kuisl. »Wie geht’s der Frau? Wohlauf? Hat mein Mittel gewirkt?«
Die anderen Arbeiter blickten verwundert zu dem Zimmermann hinüber, der von der Stadt als Baustellenleiter eingesetzt worden war.
»Deine Frau ist krank?«, fragte einer. »Davon hast uns gar nichts gesagt.«
»Es ist ... nichts Schlimmes«, murrte dieser und schaute hilfesuchend in Richtung des Henkers. »Nur ein leichter Husten. Nicht wahr, Meister Kuisl?«
»So ist es, Josef. Bist du so lieb und zeigst uns das Gelände? «
Josef Bichler zuckte mit den Schultern und ging in Richtung der umgestürzten Mauern. »Da gibt’s ned viel zu sehen. Folgt mir. «
Henker und Medicus gingen ihm nach, während die anderen Handwerker tuschelnd am Brunnen zurückblieben. »Was ist mit seiner Frau?«, flüsterte Simon.
»Sie mag nicht mehr zu ihm ins Bett«, sagte Jakob Kuisl und ließ seinen Blick übers Gelände streifen. »Einen Liebestrank wollt er von der Hebamme, aber die hat ihm keinen gegeben. Das sei Hexerei, meint sie. Da ist er halt zu mir.«
»Und Ihr habt ihm ... ? «
»Der Glaube ist manchmal der beste Trank. Der Glaube, und in Wasser gelöste Tonerde. Es gab seitdem keine Klagen mehr.«
Simon grinste. Gleichzeitig musste er den Kopf schütteln über einen Mann, der die Hebamme als Hexe brennen sehen wollte und gleichzeitig bei ihr Zaubertränke bestellte.
Mittlerweile waren sie am Fundament des Siechenhauses angelangt. Die einst mannshohen Mauern waren zum Teil komplett eingebrochen, überall lagen Steine am Boden. Ein Stapel Bretter war umgeworfen und dann angezündet worden. An manchen Stellen stieg immer noch Rauch auf.
Josef Bichler schlug ein Kreuzzeichen, als er auf die Zerstörung blickte. »Ein Teufel muss das gewesen sein«, flüsterte er. »Der gleiche, der die Kindlein umgebracht hat. Wer sonst könnte ganze Mauern umwerfen?«
»Ein Teufel, oder ein paar starke Männer mit einem Baumstamm«, sagte Jakob Kuisl. »Zum Beispiel mit dem da. « Er zeigte auf einen dicken, entasteten Tannenstamm, der unweit der Nordmauer im gerodeten Feld lag. Schleifspuren führten vom Waldrand zu der Stelle und von dort weiter zur Mauer. Der Henker nickte. »Sie werden ihn wie einen Rammbock eingesetzt haben.«
Sie stiegen über einen Mauerrest ins Innere des Baus. An mehreren Stellen war das Kellerfundament aufgebrochen, als hätte jemand mit einer Hacke gehaust. Steinplatten waren zur Seite geschoben worden, es lagen Lehmbrockenund Ziegelscherben herum. In den Ecken des Kellers war die Erde knietief ausgehoben worden, so dass sie gelegentlich über Schutthalden hinwegsteigen mussten. Es sah schlimmer aus als nach einem Angriff der Schweden.
»Wer macht so etwas?«, flüsterte Simon. »Das ist keine Sabotage mehr, das ist blinde Zerstörungswut.«
»Merkwürdig«, meinte Kuisl und kaute auf seiner kalten Pfeife. »Um den Bau zu sabotieren, hätt es eigentlich gereicht, die Mauern einzureißen. Aber das hier ... «
Der Zimmermann sah ihn angstvoll an. »Ich sag’s ja, der Teufel ...«, zischte er. »Nur der Teufel hat so eine Gewalt. Auch die Kapelle nebenan hat er mit seiner Faust einfach zusammengedrückt, als wenn’s Pergament wär. «
Simon fröstelte. Jetzt zur Mittagszeit versuchte die Sonne den Morgennebel aufzulösen, doch es gelang ihr nicht ganz. In dichten Schwaden hing er noch immer über der Rodung. Der Wald, der nur wenige Meter hinter der Baustelle begann, war nur schemenhaft zu erkennen.
Jakob Kuisl war mittlerweile durch den gemauerten Torbogen wieder nach draußen getreten. Vor dem westlichen Mauerstück ging er suchend umher, schließlich blieb er stehen. »Hier!«, rief er. »Deutliche Spuren. Das müssen vier oder fünf Mann gewesen sein.«
Plötzlich bückte er sich und hob etwas auf. Es war ein kleiner, schwarzer Lederbeutel, nicht größer als eine Kinderfaust. Er öffnete ihn, blickte hinein, dann roch er daran. Ein seliges Lächeln zog sich über sein Gesicht. »Feinster Tabak«, sagte er zu Simon und dem Zimmermann, die beide näher gekommen waren. Er zerrieb die braunen Fasern zu Krümeln und sog den Duft noch einmal tief ein. »Aber nicht von hier. Das ist gutes Kraut. Oben in Magdeburg hab ich so was mal gerochen. Dafür haben sie die Händler wie die Schweine abgestochen.«
»Ihr wart in Magdeburg?«, fragte Simon leise. »Davon habt Ihr mir nie erzählt.«
Mit einer schnellen Bewegung steckte der Henker den Beutel in seine Manteltasche. Ohne auf Simons Frage zu
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