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Die Henkerstochter

Titel: Die Henkerstochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver P�tzsch
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neuere Werke über dieBewegung des Blutes oder die Anordnung der Organe im Körper. Selbst ein so neues Exemplar wie Ambroise Parés Schriften zur Anatomie und Chirurgie in deutscher Übersetzung war darunter. Simon glaubte nicht, dass irgendein Schongauer Bürger mehr Bücher besaß als der Henker; der Gerichtsschreiber eingeschlossen, der in der Stadt als besonders gebildet galt.
    Während Simon in dem Werk des Griechen blätterte, fragte er sich, warum er und der Henker die Sache mit der Hebamme nicht einfach auf sich beruhen lassen konnten. Wahrscheinlich war es gerade dieses Ablehnen des Gegebenen, dieses neugierige Immerweiterfragen, das sie beide verband. Das und eine gehörige Portion Sturheit, dachte er schmunzelnd.
    Plötzlich blieb sein Finger an einer Seite stehen. Neben einer Skizze des menschlichen Körpers waren einige Symbole für alchimistische Ingredienzien abgebildet. Eines davon zeigte ein Dreieck mit einem Schnörkel darunter.
    Es handelte sich um das alte Zeichen für Schwefel.
    Simon kannte es seit seiner Studienzeit, aber erst jetzt fiel ihm ein, wo er dieses Zeichen zuletzt gesehen hatte. Es war das Symbol, das der Leinweber Andreas Dangler ihm gezeigt hatte, das gleiche Zeichen, das sein Stiefkind Sophie in den Dreck hinten im Hof gemalt hatte.
    Simon schob das Buch zu Jakob Kuisl hinüber, der immer noch Kräuter zermörserte.
    »Das ist das Zeichen, von dem ich Euch erzählt hab! Das Zeichen von der Sophie, jetzt erkenn ich’s wieder!«, rief er.
    Der Henker sah sich die Seite an und nickte.
    »Schwefel ... Danach stinken der Teufel und seine Gespielinnen. «
    »Ob sie also wirklich ...?«, fragte Simon.
    Jakob Kuisl kaute an seiner Pfeife. »Zuerst das Venusmal und jetzt das Zeichen für Schwefel ... Merkwürdig ist’s schon.«
    »Woher kennt die Sophie solche Zeichen?«, hakte Simon nach. »Doch nur von der Hebamme. Sie muss ihr und den anderen Kindern davon erzählt haben. Vielleicht hat sie ihnen ja tatsächlich das Hexen gelehrt ...« Er seufzte. »Leider können wir sie nicht mehr dazu fragen, jedenfalls zurzeit nicht.«
    »Unsinn«, brummte der Henker. »Die Stechlin ist genauso wenig eine Hex wie ich. Die Kinder können die Zeichen auch bei ihr in der Stube entdeckt haben, in einem Buch, auf Tiegeln, Flaschen, was weiß ich. «
    Simon schüttelte den Kopf. »Das Schwefelzeichen, meinetwegen«, sagte er. »Aber das Venusmal, das Zeichen der Hexen? Ihr selbst habt gesagt, Ihr habt so ein Zeichen nicht bei ihr gesehen. Und wenn, dann wäre sie doch eine Hexe, oder?«
    Der Henker zerstampfte die Kräuter weiter im Mörser, obwohl sie längst grüner Brei waren.
    »Die Stechlin ist keine Hex, und damit basta«, knurrte er. »Lass uns lieber diesen Teufel finden, der durch unsere Stadt zieht und die Kindlein entführt. Die Sophie, die Clara, der Johannes, alle sind’s verschwunden. Wo sind die hin? Ich bin mir sicher, wenn wir die finden, dann finden wir auch des Rätsels Lösung.«
    »Wenn die Kinder noch leben«, murmelte Simon. Dann dachte er nach.
    »Die Sophie hat den Teufel unten am Fluss gesehen, als er nach dem kleinen Kratz gefragt hat«, sagte er schließlich. »Kurz darauf war der Junge tot. Der Mann war groß, mit Mantel, einem Hut mit Feder und einer Narbe quer übers Gesicht. Außerdem soll er eine Knochenhandgehabt haben, was auch immer das Mädel da gesehen hat...«
    Jakob Kuisl unterbrach ihn. »Auch die Magd vom Semerwirt hat einen Mann mit Knochenhand in der Wirtsstube gesehen.«
    »Stimmt«, sagte Simon. »Das war ein paar Tage zuvor, gemeinsam mit ein paar anderen Männern. Die Magd hat gesagt, sie sahen aus wie Soldaten. Und dann sind sie nach oben und haben sich dort mit jemandem getroffen. Mit wem?«
    Der Henker kratzte die Paste aus dem Mörser in einen Tiegel, den er mit einem Stück Leder zuschnürte.
    »Ich mag’s nicht, wenn sich Soldaten in unserer Stadt herumtreiben«, brummte er. »Soldaten bringen nichts als Ärger. Sie saufen, rauben und zerstören.«
    »Apropos Zerstörung ... «, meinte Simon. »Der Schreevogl hat mir vorletzte Nacht erzählt, dass nicht nur der Stadl zerstört ist. Irgendjemand war am gleichen Abend bei der Baustelle vom Siechenhaus, da steht kein Stein mehr auf dem anderen. Ob das auch die Augsburger waren?«
    Jakob Kuisl machte eine abfällige Handbewegung. »Wohl kaum. Denen ist so ein Siechenhaus bei uns nur recht. Schließlich hoffen sie, dass dann weniger Reisende bei uns absteigen.«
    »Nun, dann vielleicht ein paar

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