Die Herren der Unterwelt 01 - Schwarze Nacht
werde ich meine Freunde angreifen.
Wir haben Ashlyn beschützt, knurrte der Dämon.
Der Drang, jemanden zu beschützen? Von seinem Dämon?
Das werden wir auch weiterhin, nur nicht so. Nicht auf diese Art. Je mehr er dem Dämon nachgab, umso mehr wurde er selbst zu Gewalt. Wann hatte er aufgehört, sich mit aller Kraft gegen ihn zu wehren?
Wenn er alleine war, stellte er sich gern vor, er wäre als Mensch geboren. Dann wäre Gewalt das Letzte gewesen, was ihm in den Sinn gekommen wäre. Er hätte eine liebenswerte Frau geheiratet und reizende Kinder bekommen, die neben ihm spielten, während er schnitzte. Möbel zu drechseln – Truhen, Schränke, Betten – hatte ihm einst großen Spaß gemacht.
Aber nachdem er sämtliche selbst gefertigte Stücke zerstört hatte, hatte er sein Hobby aufgegeben.
„Er wird ruhiger“, stellte Reyes überrascht fest.
„Ich kann den Dämon nicht mehr sehen.“ Aeron. Irritiert.
„Wow. Wir mussten ihn nicht mal festketten.“ Paris.
„Das ist eine Premiere.“ Torin. Immer noch lachend.
Sie ließen ihn los und traten im Gleichschritt zurück. Maddox schüttelte den Kopf, um seine Gedanken zu sortieren und um zu begreifen, was gerade geschehen war. Gewalt hatte die Oberhand gewonnen, und trotzdem hatte er niemanden umgebracht. Und seine Freunde hatten ihn nicht fesseln müssen, um ihn aufzuhalten.
Behutsam setzte er sich auf und sah sich in dem Zimmer um. Das totale Chaos begrüßte ihn. Holzsplitter, zerfetzte Schaumstoffkissen, schwarze Fernsehglasscherben. Ja, er hatte wahrlich die Kontrolle verloren.
Verwirrt zog er die Augenbrauen hoch. Normalerweise musste man ihn bewusstlos schlagen, wenn er derart ausrastete. Doch die Gedanken an Ashlyn hatten ihn vollständig beruhigt.
Wie war das möglich?
„Wieder gut?“, brummte Reyes.
„Ja.“ Das Wort klang rau und heiser. Irgendjemand musste ihn gewürgt haben.
Er stand auf und stolperte zum Sofa. Zwar lagen dort keine Kissen mehr, aber das war ihm egal. Er ließ sich auf die harten Federn fallen, die unter seinem Gewicht quietschend nachgaben.
„Gut, dass Torin mit Geld umzugehen weiß“, bemerkte Paris trocken, während er sich umblickte und neben Maddox setzte. „Sieht so aus, als bräuchten wir dringend neue Möbel.“
„Wo waren wir stehengeblieben?“, lenkte Lucien ihre Aufmerksamkeit wieder auf das eigentliche Thema. Auf seiner Stirn prangte eine Platzwunde, die vor ein paar Minuten noch nicht da gewesen war.
Schuldgefühle machten sich in Maddox breit. „Tut mir leid.“
Überrascht sah Lucien ihn an. Dann nickte er.
„Die Frauen“, grummelte Reyes, als er sich auf die andere Seite neben Maddox setzte. „Ich schlage vor, wir warten noch ab. Im Gegensatz zu einigen anderen …“, er warf Maddox einen vielsagenden Blick zu, „hat Aeron seinen Dämon im Augenblick unter Kontrolle – auch wenn er sich ab und an bemerkbar macht.“
„Ich stimme dir zu.“ Lucien ging zu dem umgekippten Billardtisch und zog eine Rosenduftwolke hinter sich her.
Ein schöner Geruch, aber längst nicht so herrlich wie Ashlyns. Sie roch warm und geheimnisvoll, nach Honig und Mondlicht. Ashlyn … Bei dem Gedanken an sie bekam er eine Erektion. Sein Körper war bereit. Ich hätte sie nehmen sollen, als ich die Gelegenheit hatte, dachte er wieder. Ich hätte in ihre enge, feuchte Spalte eindringen sollen.
„Ähm, ich freue mich ja auch, neben dir zu sitzen, aber ich hatte keine Ahnung, dass es dir so sehr gefallen würde“, murmelte Paris.
Zum ersten Mal seit Jahrhunderten errötete Maddox. „Ist nicht deinetwegen.“
„Na, den Göttern sei Dank“, erwiderte sein Freund.
„Wo wir gerade von den Göttern sprechen, Maddox, vielleicht ist das der geeignete Zeitpunkt, um den anderen von der Stimme zu berichten, die du gehört hast“, forderte Lucien ihn auf.
Maddox wollte sie nicht damit belasten, aber er wusste, dass es keinen Ausweg gab. „In Ordnung. Irgendjemand ist in meinen Kopf eingedrungen und hat mir befohlen, euch heute um Mitternacht zu einem Friedhof zu schicken. Unbewaffnet.“
Lucien deutet auf Aeron. „Du kennst die neuen Götter besser als wir. Was hältst du davon? Klingt das nach einem Vorgehen, das zu den Titanen passt?“
„Ich bin zwar kein Titanenexperte, aber ich glaube nicht, nein. Sie hätten keinen Grund, Angst vor unseren Waffen zu haben. Damit können wir uns vielleicht gegen die Jäger verteidigen, aber in einem Krieg gegen die Götter wären sie nutzlos.“
Als Paris jubelte,
Weitere Kostenlose Bücher