Die Herren der Unterwelt 02 - Schwarzer Kuss
so eng verknüpft war wie er mit seinem Dämon. Das war der Grund, warum sie schwächer werden würde, sobald sie den Schlüssel jemand anders gab, denn damit gab sie einen Teil von sich fort. Sie entdeckte die Enttäuschung in Luciens Blick, was sie irgendwie berührte. Wenn niemand sonst verstand, wie gefährlich es war, einen wichtigen Teil seiner selbst fortzugeben, er tat es.
Sie seufzte. Die drei, sie, Lucien und William, saßen um einen kleinen runden Tisch, auf dem Eier und Speck und Pfannkuchen standen. In der Luft lag der Duft des würzigen Specks vermischt mit dem süßen Geruch vom Ahornsirup. Das Essen war hervorragend.
Nach dem Aufstehen hatte sich Anya einen wunderbar weichen weißen Kaschmir-Einteiler übergezogen und sich nach Atlanta teleportiert, wo es in ihrem Lieblingsrestaurant Frühstück gab. Dort hatte sie das Essen geholt und war gleich zurückgeeilt, um vorgeben zu können, dass sie es selbst gemacht hatte. Die Männer waren schließlich Krieger, und sie sollten sich ein wenig dankbar dafür zeigen, dass sie sich so viel Mühe gemacht hatte. Zwar dachten die beiden, dass sie viel Zeit in jedes Gericht gesteckt hatte, aber dennoch kam ihnen kein einziges Lob über die Lippen. Noch nicht einmal danke hatten sie gesagt, die Mistkerle!
Sie saß zwischen ihnen. Lucien behielt William genau im Auge und sah ihn jedes Mal böse an, wenn der Sexgott über den Tisch in Anyas Richtung griff, um sich etwas von den Rühreiern zu nehmen. Seine Besitzansprüche waren einfach süß. Es war kein Wunder, dass sie die ganze Nacht in seinen Armen gelegen hatte und sich nicht hatte losreißen konnte. Er gab ihr das Gefühl, begehrenswert zu sein. Und er gab ihr Sicherheit. Nie zuvor hatte sie eine ganze Nacht mit einem Mann verbracht. Nie hätte sie sich vorstellen können, dass außer dem intensiven körperlichen Vergnügen auch ein Gefühl von Sicherheit, das sie nicht mehr missen wollte, eine Rolle spielen könnte.
„Ich habe dir doch schon mal gesagt, du sollst deine Hände …“ Lucien sprach den Satz nicht zu Ende. Sie spürte, wie er jeden Muskel anspannte.
Anya wandte sich ihm zu. Beide Augen waren auf einmal blau. Sie legte ihre Hand auf seinen Arm. Wie es schien, war es für die beiden an der Zeit, Seelen abzuholen.
„Ich muss los.“
„Du nimmst mich mit, ja?“
Lucien schüttelte den Kopf. „Nein, du bleibst hier.“
„Zwing mich nicht dazu, mich unsichtbar zu machen, um dir dann zu folgen, auch wenn du es nicht willst.“
„Das hast du schon mal gemacht.“ Er seufzte resigniert. „Und ich habe bisher noch nicht herausfinden können, wie du das geschafft hast.“
Sie zuckte mit den Schultern. „Ich bin Anarchie, hast du das vergessen? Ich gehorche nicht den Naturgesetzen … oder sonstigen Regeln.“
„Wovon redet ihr beide?“, wollte William wissen.
Sie beachtete ihn nicht. Erstens, weil sie wusste, dass sie damit Lucien wütend machen würde, und zweitens, weil sie befürchtete, dass er sofort verschwinden würde, sobald sie ihm nicht mehr all ihre Aufmerksamkeit schenkte. „Geh du nur alleine, dann bleibe ich so lange bei Willie und amüsiere mich mit ihm.“
William grinste und hatte schon seine Frage vergessen. „Lass sie ruhig hier, Mann. Ich werde mich besonders gut um sie kümmern.“
Lucien zog eine Grimasse und fletschte die Zähne, aber gleichzeitig verschränkte er seine Finger mit Anyas. „Okay, dann lass uns los.“
Er dematerialisierte sich und Anya. Dann tauchten sie in die Welt der Geister ein, die aus bunten Farben und Lichtern bestand. Lucien flog schnell zu einem abgebrannten Geschäft, aus dem noch der Qualm aufstieg. Shanghai, stellte Anya fest. Sie sah sich um. Sie befanden sich in einer Straße mit weißen und roten Häusern, deren Dächer in spitzen Giebeln endeten. Sie hatte das Gefühl, sie könnte das Essen riechen, das auf dem benachbarten Straßenmarkt verkauft wurde.
Auf dem rußigen Boden lagen mehrere reglose Körper. Ohne Anyas Hand loszulassen, ging Lucien zu dem ersten und tauchte seine Hand in den Brustkorb des Mannes. Er holte eine zappelnde Seele heraus, die sich gegen den Griff des Todesdämons zu wehren versuchte.
In dem nächsten Augenblick standen sie vor den Toren der Hölle. Die Hitze war so stark, dass sie ihnen fast das Fleisch von den Knochen schmolz. Anya erschauerte. Sie hörte das Flehen, die Schreie der Gefolterten. Würde sie auch hier landen, wenn Cronus sich durchsetzen konnte und sie töten würde? Allein der
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