Die Herren der Unterwelt 02 - Schwarzer Kuss
Die Küchengeräte waren der letzte Schrei und von der Wand hingen Körbe mit Früchten. Ob William das alles in einem Wutanfall zerstören würde, wenn sie erst einmal mit ihm fertig war? „Vielleicht ist das jetzt ein guter Zeitpunkt, dir zu sagen, dass ich dein Buch habe.“
William regte sich nicht. Seine Ruhe glich einem Raubtier kurz vor dem Angriff. „Das kannst du gar nicht. Ich habe es noch heute Morgen gesehen, bevor ich zum Frühstück herunterkam.“ Sein Blick war gefährlich.
Lucien hob Anya von ihrem Stuhl und setzte sie sich auf den Schoß. Sie lehnte ihren Kopf an seinen Hals. Sie brauchte zwar niemanden, der sie beschützte, aber die Geste war nett.
„Denk mal darüber nach“, forderte sie William auf.
„Anya“, blaffte William sie an. „Du hast das Buch nicht. Ich habe es. Ich habe es noch heute Morgen gesehen.“
„Nicht in diesem Ton“, fuhr ihn Lucien an.
„Das, was du heute Morgen gesehen hast, war eine Fälschung“, erklärte Anya.
„Du lügst.“ Der Krieger lehnte sich über den Tisch zu ihr herüber. Seine Pupillen waren riesig.
Sofort stand Lucien auf den Füßen und stellte sich vor Anya. Keine Sorge, alles wird gut.
„Ich habe dir gerade gesagt, du sollst auf deinen Ton achten.“
William stieß sich mit Wucht vom Tisch ab, sodass sein Stuhl über den Fußboden rutschte und mit einem Rumms gegen den Küchentresen knallte. „Wenn es weg ist …“ Wutentbrannt stampfte er aus der Küche.
„Verdammt. Er ist tatsächlich hinausgegangen, ohne die Küche zu zerlegen. Komm, das dürfen wir nicht verpassen.“ Anya nahm Lucien bei der Hand. Sobald sie ihre Finger mit seinen verflocht, spürte sie die Berührung wie einen elektrischen Schlag.
Jetzt wusste sie ja, was diese Finger alles mit ihr anstellen konnten …
Zitternd zog sie Lucien hinter sich her und folgte William. Der Flur war hell erleuchtet. Die goldglänzenden Glühbirnen schimmerten durch bunte Spitzenschirme und tauchten den ganzen Raum in regenbogenfarbenes Licht. Hatten das die Vampir-Damen so eingerichtet? Hatten sie etwa versucht, den Krieger zum Hausmann zu machen?
Die Waffen und Bilder, die normalerweise an den Wänden hingen, waren verschwunden. Anya wettete so zehntausend US-Dollar darauf, dass William sie nach einer Nacht mit diesen Vampiren alle abgenommen hatte. Er kannte Anyas Hang zu stehlen nur zu gut. Aber es war zu spät, sein wertvolles Buch hatte dran glauben müssen. Der dumme Mann hatte eine Hexe veranlasst, einen Fluch auf dieses Buch zu sprechen, sodass niemand den verschlossenen Schuber öffnen konnte. Aber das war schon lange her. Und dieser Fluch konnte Anyas Schlüssel nichts anhaben.
„Was ist mit diesem Buch, über das ihr gesprochen habt?“ Lucien musste sich beeilen, um mit Anya Schritt halten zu können. „Hast du es wirklich gestohlen?“
„In dem Buch geht es um uralte Prophezeiungen der Götter. Und ja, ich habe es mitgenommen. William hätte ein bisschen schlauer sein sollen und es lesen müssen. Schließlich hatte er ja einige Jahrhunderte dafür Zeit, aber nein, er hatte Angst, dass es für ihn mehr Schaden anrichten konnte als Gutes tun.“ Sie bog um eine Ecke. Vor ihnen lag eine Treppe. Dieses Haus war verdammt groß …
Sie war es nicht mehr gewöhnt, zu Fuß zu gehen, normalerweise teleportierte sie sich überall hin.
„Denn eine der Prophezeiungen beschäftigt sich mit William. Sie wurde in der Zeit aufgeschrieben, als er im Gefängnis war, wenn ich mich recht erinnere. Es ging dabei irgendwie um eine Frau. Natürlich, es geht ja immer um Frauen. Jedenfalls ist die Prophezeiung verschlüsselt. Als ein Rätsel. Und in diesem Buch befindet sich der Schlüssel zu diesem Rätsel. Er könnte es auflösen und sich selbst damit retten.
„Anya, was zum Teufel fällt dir ein?“ Williams Stimme hallte plötzlich donnernd von sämtlichen Wänden wider.
„Ich nehme an, er hat gerade die Fälschung gefunden.“
„Wird er versuchen, dir etwas anzutun?“
Sie grinste. „Nicht, solange ich seinen Schatz habe.“ Das sagte sie mit verstellter Stimme, die böse klingen sollte.
Lucien schüttelte nur den Kopf.
Daraufhin bogen sie um eine weitere Ecke und befanden sich plötzlich in der Bibliothek. In der Hand hielt William die Fälschung, die Anya gemacht hatte. Das erste Mal, als sie ihn besuchte, hatte sie versucht, ihn in einen Streit zu verwickeln. Sie musste sich einfach mit ihm streiten. Um die Trauer um einen ihrer sterblichen Freunde, der gerade
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