Die Herren der Unterwelt 03 - Schwarze Lust
mit der Süße des Zuckers und etwas Dunklem, Gefährlichem. Er zog die Augenbrauen hoch. Dunkel? Gefährlich? Beides war sie vorher nicht gewesen.
„Gib mir deine Hand“, bat Lucien, der plötzlich vor ihm stand und seinen warmen Atem über Reyes’ Wange blies.
Reyes blinzelte überrascht, als er seinem Freund so plötzlich gegenüberstand. Er vertraute diesem Mann und respektierte ihn, und trotzdem hatte er ihn in den letzten Tagen so bitter enttäuscht. Obwohl er nicht wusste, was Lucien vorhatte, streckte er ihm seine Hand entgegen. Vorbehaltlos.
Ohne seinen hypnotisierenden Blick von Reyes zu lösen, schlang Lucien seine Finger um die Hand seines Freundes.
Im Moment des Kontakts schoss eine Art Blitz durch Reyes’ Körper. Jeder noch so kleine Muskel zuckte, als wäre er an einen Stromgenerator angeschlossen. Um Reyes herum breitete sich Wärme aus und zog sich immer enger um ihn, wie ein Python, bis er am Ende kaum noch atmen konnte. Herrlich, dieser Schmerz! Er presste die Augenlider zusammen und genoss einfach nur. Sein Dämon schnurrte vor Behagen.
Ein paar Herzschläge lang setzte sein Verstand aus, als wäre er in ein dunkles Tuch gehüllt. Dann erschienen plötzlich nadelstichgroße Lichtpunkte, die sich immer weiter ausdehnten, bis sich schließlich ein unscharfes Bild, eine vage Silhouette abzeichnete. Und dann plötzlich konnte er Danika sehen. Sie lag auf einem Bett, so wie er sie sich die ganzen letzten Wochen vorgestellt hatte. Außer dass sie nicht als laszive Schönheit dalag und auf erotische Vergnügungen wartete. Sie war an das Bett gefesselt, und ihre ehemals blonden Haare waren abgeschnitten und gefärbt.
Sie zitterte. Tränenspuren zeichneten sich auf ihren Wangen ab, und ihre Unterlippe blutete, vermutlich, weil sie sich heftig daraufgebissen hatte. In diesem Moment gebärdete sich seine Wut wie ein weiterer innerer Dämon. Danika war eine Frau, die für das Licht und die Freude gemacht war, nicht für Dunkelheit und Angst.
„Sie sieht nicht gut aus.“ Lucien ließ Reyes los und trat ein paar Schritte zurück. Die Vision von Danika nahm er mit sich. „Je länger sie in ihren Händen ist, desto mehr Schaden können sie ihr zufügen. Ich bin dem Körper des toten Jägers zu einem Bestattungsinstitut gefolgt, habe meinen Geist dort verweilen lassen und mir die Jäger angeschaut, die den Toten aufgesucht haben. Ahnungslos haben die mich dann zu Danika geführt. Sie wissen, dass sie ihren Freund getötet hat. Offensichtlich haben sie sie seit der Nacht, in der sie zugestochen hat, in ihrer Gewalt. Sie haben sie an ein Bett gekettet und in tiefen Schlaf versetzt. In ihrem jetzigen Zustand ist sie nicht in der Lage, sich zu wehren, sie ist vollkommen hilflos und verletzlich, sie ist eine …“
„Ja!“ Reyes ließ seine Waffe fallen. „Ja“, keuchte er. Er musste nicht länger darüber nachdenken, was er zu tun hatte. „Du gibst mir Danika, und ich gebe dir Aeron.“ Vielleicht war das ein Ausweg aus seinen inneren Qualen: Er konnte Danika retten, sie beschützen und gleichzeitig Aeron helfen, zu seinem früheren Ich zurückzufinden, indem er ihm vor Augen hielt, wie er früher einmal gewesen war. Wie er Letzteres anstellen sollte, war ihm momentan allerdings noch nicht klar. „Du musst mir aber dein Wort geben, dass Aeron, wenn er erst einmal wieder hier ist, die Ruhe und Abgeschiedenheit bekommt, nach der er sich so sehnt.“
„Das verspreche ich dir.“ Lucien nickte grimmig. „Du solltest noch wissen, dass ich mich auf das Ganze nur deshalb einlasse, weil Anya glaubt, Danika könnte uns zu einem der Artefakte führen. Wenn die Frau erst einmal hier ist, werde ich sie benutzen, um die Artefakte zu finden, das kannst du mir glauben.“
„Und du solltest noch wissen, dass ich nicht weiß, wie ich reagiere, wenn du sie in Gefahr bringst. Ich bin nämlich nicht ich selbst, wenn sie in meiner Nähe ist.“ Schon jetzt ließ ihn der Gedanke daran wild werden. „Und nun führe mich zu ihr.“
„Aber erst musst du mir versichern, dass du eines verstanden hast: Vielleicht retten wir sie nur, um sie später zu verlieren. Nicht dass du mir dann Vorwürfe machst …“
„Sie wird nicht sterben.“ Nicht wenn er sich ihrer annahm. „Und jetzt kein langes Gerede mehr. Bring mich zu ihr.“
Habe ich etwa um mein Leben gekämpft, nur um es jetzt so zu verlieren? Danika lachte bitter auf. Sie war gerade erst aufgewacht und hatte keine Ahnung, wie viel Zeit inzwischen vergangen
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