Die Herren der Unterwelt 03 - Schwarze Lust
Stimme noch, ihre Behauptung gleich mal zu überprüfen. Was dumm wäre, denn momentan hatte sie wahrscheinlich nicht mal die Kraft eines Neugeborenen. Aber egal, er konnte ruhig wissen, dass er mit Konsequenzen rechnen musste, falls er ihr wehtat.
Er nickte einsichtig, aber sein grüblerischer Gesichtsausdruck blieb unverändert. „Ich hab von dem Menschen gehört, den du getötet hast.“
Das Wort „Mensch“ reichte aus, um ihr mit einem Schlag vor Augen zu führen, aus welch unterschiedlichen Welten sie kamen. Dann sah sie plötzlich nichts mehr, nur noch ein schwarzes und rotes Zucken, allerdings vor ihrem inneren Auge, und dann spürte sie, wie ihr der Asphalt die Handflächen und Knien verbrannte, hörte das Zerbrechen eines Bleistiftes, dann ein qualvolles Keuchen und schließlich einen rasselnden Atem, der langsam erstarb. Jetzt war es ihr vollkommen egal, wie verschieden sie und Reyes waren, sie wollte nur noch eines: dass er sie in Sicherheit brachte.
„Danika.“
Es reichte, dass er sie mit seiner heiseren, kratzigen Stimme beim Namen nannte, um sie aus der Erinnerung an diesen traumatisierenden Vorfall zu reißen. Sie schluckte, dann schüttelte sie den Kopf. „Das bereue ich nicht.“ Wenn es doch nur so wäre, dachte sie. Aber sie wusste einfach nicht, wie sie wirklich dazu stand, zumindest im Moment nicht, wo sie viel zu benommen und verwirrt war.
„Das freut mich.“
Natürlich freute es ihn … Moment mal. Sagte er, dass es ihn freut? „Warum?“
„Er hätte dir sonst sehr wehgetan. Du hast dich nur verteidigt, das war reine Notwehr. Wenn ich doch nur vor Ort gewesen wäre!“
„Na, ich hab mich jedenfalls nicht sonderlich gut verteidigt“, sagte sie bitter. Dann fluchte sie. Diesen Vorfall zur Sprache zu bringen und sie an ihre Zeit bei den Jägern zu erinnern war nicht sonderlich geschickt gewesen. Denn schließlich hatte sie einen Auftrag zu erledigen. „Wie hast du von der Sache erfahren? Werde ich steckbrieflich gesucht? Ist vielleicht schon ein Haftbefehl gegen mich erlassen?“
Obwohl sie so leise gesprochen hatte, dass sie sich selbst kaum hörte, ließ seine Antwort nicht auf sich warten. „Nein, es gibt keinen Haftbefehl. Niemand weiß etwas davon. Was ich dir jetzt erzähle, Danika, darf um Himmels willen nicht nach draußen dringen. Eigentlich ist es ziemlich dumm von mir, dir diese Informationen anzuvertrauen, denn ich weiß, wie sehr du uns hasst – aus gutem Grund. Aber ich will, dass du weißt, warum wir bestimmte Dinge getan haben.“
Plötzlich hatte sie sogar Angst zu atmen – hatte ebensolche Angst, ihm das Wort abzuschneiden wie ihn zum Weitersprechen zu ermuntern. Welches dunkle Geheimnis würde er lüften? Musste er in Vollmondnächten Jungfrauen opfern? War sie als Nächstes dran? Na, zum Glück war sie keine Jungfrau mehr.
Er atmete einmal tief durch, den Blick abgewandt. „Ich hab dir bereits gesagt, dass wir Krieger keine Menschen sind. Was ich dir noch nicht gesagt habe, ist, dass jeder von uns einen … einen Dämon beherbergt.“ In seinen Worten lag Scham. „Lucien – erinnerst du dich an ihn? – beherbergt den Dämon des Todes. Als dein Angreifer starb, wurde Lucien herbeigerufen.“
Ich weiß, hätte sie ihm fast entgegnet, biss sich aber noch rechtzeitig auf die Lippen. Der Unterschied war allerdings, dass Stefano gesagt hatte, die Krieger wären mit den Dämonen verschmolzen, wären selbst zu Dämonen geworden; er hatte nicht gesagt, dass sie sie lediglich beherbergten. Erleichtert ließ sie ihre angespannten Schultern sacken. Komisch, dass Reyes’ Version sie erleichterte. Na, zumindest musste sie ihr Wissen jetzt nicht mehr verbergen.
Vorsicht, was machst du da?, hallte es in ihrem Inneren. Reyes wusste nicht, dass sie Bescheid wusste, und sie würde es ihm auch nicht auf die Nase binden. Dann musste ihm allerdings ihre Erleichterung merkwürdig vorkommen. Aber … wie sollte sie sonst auf eine solche Offenbarung reagieren? Mit Lachen? Mit einem entsetzten Aufschrei?
„Dämonen …“, stieß sie betont atemlos hervor. Was sollte sie sonst noch sagen?
„Ja.“
„Ich … ich dachte mir schon so was“, entschied sie sich für die halbe Wahrheit. „Letztes Mal, als ich hier war, habe ich Dinge gesehen, die ich mir nicht erklären konnte. Übernatürliche Dinge.“
Er nickte, und ihre Erleichterung wuchs. „Ich will nicht, dass du Angst vor uns hast“, fuhr er fort. „Wir leben zwar mit den Dämonen, das stimmt, aber wir
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