Die Herren der Unterwelt 03 - Schwarze Lust
kampfbereit aussah. Obwohl – wann sah er nicht so aus? „Ich glaube, du hast meine Hände an deinem Hals genossen.“
Unterhalb von Reyes’ dunklen Augen zuckten zwei kleine Muskeln.
„Vor ein paar Jahren hab ich dich gefragt, ob ich dich auspeitschen oder schlagen soll. Irgendwas in der Art. Ich hätte dich sogar erdolcht. Ich hätte es nicht gerne getan, ich hatte eigentlich keine Lust, dir wehzutun, nicht mehr Lust, als du hattest, Maddox Nacht für Nacht zu töten, aber ich hätte es getan, dir zuliebe, weil ich wusste, wie sehr du den Schmerz brauchst. Ich hab dich geliebt, also hab ich es dir angeboten.“
„Ich hab dich ebenfalls geliebt, deshalb hab ich es ablehnt. Erinnerst du dich daran auch?“
Aeron überging die Frage, weil er sich nur zu gut erinnerte. Daran zu denken nahm ihm seine Selbstachtung. Er streichelte Legions kahlen Kopf, als sich die kleine Kreatur auf seinen Schoß setzte, und sagte: „Ich bin immer noch gewillt, dir zu helfen. Wenn du Schmerzen willst, dann gib mir deine Frau.“ Er lachte Reyes in sein wutverzerrtes Gesicht. „Ein Schnitt, mehr braucht es nicht. Sie wird umkippen, und dein Herz wird buchstäblich zerbrechen. Das garantiert dir Schmerzen bis in alle Ewigkeit. Mein Geschenk für dich. Danken kannst du mir später.“
Reyes fuhr sich mit der Zunge über die Zähne. Eine Demonstration seiner hochkochenden Aggression. Seiner Angriffslust. Doch immer noch rührte er sich nicht vom Fleck. Anders als Aeron und Maddox fuhr er nur selten aus der Haut. Er wartete lieber ab und schlug dann zu, wenn sein Feind gar nicht mehr damit rechnete. „Du hast dich verändert. Es ist noch gar nicht lange her, da warst du wild entschlossen, sie davonkommen zu lassen. Was ist passiert?“
„Ich hab lediglich festgestellt, dass ich gegen meinen Blutdurst nicht ankämpfen kann. Also hab ich ihm nachgegeben und bin seitdem glücklicher“, antwortete er.
„Lügner. Du hasst dich dafür. Ich kenne dich doch.“ Reyes seufzte, als Aeron nicht antwortete. „Bitte, erzähl mir, wo ihre Familie ist.“
Aeron drehte sein Handgelenk und rüttelte an seiner Kette, ohne die andere Hand auch nur einen Moment von Legions Kopf zu nehmen. „Mach mich los.“
Reyes sah gequält aus, aber anders gequält als sonst. Der Schmerz schien ihn zum ersten Mal förmlich zu zerreißen, anstatt ihm Genuss zu bereiten. „Du weißt, dass ich dich nicht freilassen kann.“
„Ich weiß, dass du es nicht tun wirst.“
Niedergeschlagen nickte Reyes. „Stimmt. Das werde ich nicht.“
Legion flatterte um Aeron herum, und gleich darauf hörte man zwei kleine Hände über dessen Rücken streichen. Sie waren schuppig und trotzdem weich. Und ehrfurchtsvoll. Sie massierten seine Muskeln, um sie zu lockern. Als der gewünschte Effekt eintrat, hörte die kleine Kreatur auf, drückte sich mit der Brust gegen Aerons Schulter und spähte zu Reyes hinüber. Legions Lippen schmatzten hungrig.
„Noch nicht“, bremste ihn Aeron. Er begriff nicht, warum der kleine Dämon ihn mochte und die anderen nicht. Aber er akzeptierte es. Er hatte keine Ahnung, warum der Dämon ihm hier hineingefolgt war, aber er freute sich darüber. Aus irgendeinem Grund brauchte er den kleinen Kerl. Legion beruhigte ihn, wie es noch niemand sonst vermocht hatte, er besänftigte Zorn, dämpfte seine Blutlust und hielt ihn bei klarem Verstand. Außer als Lucien und Reyes in der Höhle aufgetaucht waren, um ihn hierher zu bringen. Da war Aeron ausgerastet.
Aber es war auch einfach zu ärgerlich gewesen: Er hatte unmittelbar vor der Flucht gestanden. Legion hatte sein Fleisch schon abgenagt, war quasi im Begriff, den Knochen durchzubeißen, als er gespürt hatte, wie sich die beiden Krieger näherten. Da war er blitzschnell verschwunden – und erst später hier im Burgverlies wieder aufgetaucht.
„Weißt du, wo die Frauen sind?“, fragte Reyes, nicht ahnend, dass Legion ihn sich ausgestreckt auf einer silbernen Servierplatte vorstellte, wahlweise mit und ohne Besteck. „Sag mir wenigstens das.“
Oh, natürlich wusste Aeron, wo sie waren. Er erinnerte sich an jede verdammte Sekunde, jede Minute, jeden einzelnen seiner Tage. Sein enormes Wissen verspottete ihn fortwährend, lachte über seine Hilflosigkeit, brachte ihn zum Wahnsinn. Aber wenn die Frauen erst einmal tot waren, würde das Gespött und Gelächter aufhören. Der Wahnsinn würde sich zurückziehen, und Aeron würde sich nicht länger danach sehnen, jedes Wesen, dem er
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