Die Herren der Unterwelt 04 - Schwarzes Flüstern
abreisen wollten, fanden sie, sie wären berechtigt, über seine Angelegenheiten unterrichtet zu werden. Das nahm er jedenfalls an.
„Wahrscheinlich ist er nie weg gewesen“, fuhr Cameo fort, als hätten die Harpyien nichts gesagt. Sie blieb direkt vor Sabin stehen. „Er war vermutlich die ganze Zeit hier, hat gewartet, uns beobachtet und seine Armee neu aufgebaut. Und jetzt, da nur noch die Hälfte von uns hier ist …“
„Mist.“ Sabin rieb sich das Gesicht. „Es gäbe keinen besseren Zeitpunkt, um uns für die Geschehnisse in Ägypten zu bestrafen. Und nicht zu vergessen, dass er diese Frauen zurückhaben will.“ Inklusive Gwen.
„Ja. Torin alarmiert bereits die anderen“, meinte sie. „Wenigstens sind sie noch nicht auf dem Weg zu uns, aber sie versammeln sich gerade in der Stadt.“
„Was zum Teufel geht hier vor?“, wollte Bianka wissen.
„Die Jäger sind hier, und zwar kampfbereit“, informierte Sabin sie. „Ihr habt gesagt, ihr würdet mir helfen, sie zu besiegen. Tja, das ist die Gelegenheit.“ Aber zuerst musste er sich überlegen, wie er Gwen beschützte, während er – oder sie? – fort war. Wenn ihre Schwestern den Versuch wagten, sich mit ihr aus dem Staub zu machen, sobald er ihnen den Rücken kehrte …
In seiner Kehle stieg ein Knurren auf, das seinen Kehlkopf kitzelte.
Zugegeben – die Überlegung, einen starken, fähigen Krieger zurückzulassen, war ihm fremd. Es war sogar über alle Maßen lächerlich. Insbesondere weil er von Anfang an vorgehabt hatte, Gwen in die Schlacht zu schicken. Doch er würde seine Meinung nicht ändern. Irgendwann und irgendwie war Gwen zum wichtigsten Teil seines Lebens geworden.
In den vergangenen Tagen hatte er sie in Ruhe gelassen, weil er ihre Bedeutung für ihn hatte schwächen und seine Prioritäten wieder hatte ordnen wollen. Es hatte nicht funktioniert. Sie war ihm umso wichtiger geworden – und seine oberste Priorität obendrein.
Als Sabin das gerade dachte, rannte Kane an ihnen vorbei. In jeder Hand trug er eine Hälfte des nach wie vor zerbrochenen Porträts von Galen, das Danika gemalt hatte.
„Was hast du damit vor?“, rief Sabin.
„Torin will, dass ich es einschließe“, antwortete er. „Nur für alle Fälle.“
Kaia schnappte nach Luft, packte Kane am Arm und hielt ihn auf. „Wie bist du daran gekommen? Ich hoffe, du weißt, dass du dafür bezahlen wirst, dass du es kaputt gemacht hast, du Mist…“ Sie schrie kurz auf, ließ ihn los und rieb sich die Handfläche. „Wie zur Hölle hast du mich so erschreckt?“
„Ich habe keine …“
„Oh Gott!“ Gwen kam die Stufen heruntergestapft und musterte das Porträt. „Wie bist du daran gekommen?“
„Was ist denn los?“ Sabin ging zu ihr und legte ihr einen Arm um die Taille. Gwen zitterte.
Taliyahs kühler Blick schoss von Gwen zum Porträt und vom Porträt zurück zu Gwen. Auch sie wurde blass, und durch ihre ohnehin schon bleiche Haut schimmerten dunkelblaue Venen. „Wir müssen gehen“, sagte sie, und zum ersten Mal seit Sabin sie getroffen hatte, schwangen Emotionen in ihrer Stimme mit. Furcht. Sorge.
Bianka stapfte nach vorn und packte Gwens Handgelenk. „Sag kein Wort. Lass uns einfach nur von hier verschwinden und nach Hause gehen.“
„Gwen“, sagte Sabin und hielt sie fest. Was zum Teufel ging hier vor?
Ein Tauziehen begann, doch Gwen schien es kaum zu merken.
„Mein Vater“, erwiderte sie schließlich so leise, dass er sie kaum hören konnte.
„Was ist mit deinem Vater?“, fragte er drängend. Sie hatte den Mann noch nie erwähnt, woraus Sabin geschlossen hatte, dass er, wer auch immer er war, in ihrem Leben keine Rolle spielte.
„Sie mögen es nicht, wenn ich über ihn spreche. Er ist nicht so wie wir. Aber wie bist du daran gekommen? Es hing in meinem Zimmer in Alaska.“
„Moment.“ Er starrte auf das Porträt. „Willst du sagen, dass …“
„Der Mann mein Vater ist, ja.“
Nein. Nein. „Das ist unmöglich. Sieh genauer hin, dann merkst du bestimmt, dass du dich irrst.“ Irr dich. Bitte irr dich. Er packte sie bei den Schultern und zwang sie, sich das Bild anzusehen.
„Ich irre mich nicht. Das ist er. Ich habe ihn nie kennengelernt, aber ich habe dieses Bild mein ganzes Leben lang immer wieder betrachtet.“ Ihre Stimme klang wehmütig. „Das ist die einzige Verbindung, die ich zu meiner guten Seite habe.“
„Unmöglich.“
„Gwen!“, riefen die Harpyien im Chor. „Es reicht.“
Sie ignorierte sie. „Ich sage
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