Die Herren der Unterwelt 04 - Schwarzes Flüstern
nächsten Sekunde war die Harpyie auch schon wieder an seinem Hals, ohne dass er Zeit gehabt hätte, sich zu bewegen.
Als er wieder klar sehen konnte, musterte er sie eingehend. Sie war hübsch, ihre Haut leuchtete genauso wie Gwens. Doch aus irgendeinem Grund war Sabin nicht wie versteinert, und ihn überkam auch nicht der Drang, sie ins Bett zu zerren. Sie hatte leuchtend rote Haare ohne die blonden Strähnen, die er bei Gwen so mochte. Dafür hatten sie die gleichen bernsteinfarbenen Augen und die gleichen sinnlichen roten Lippen. Doch während Gwen die pure Unschuld ausstrahlte, pulsierten in dieser Frau Jahrhunderte des Wissens und der Macht.
„Hör zu“, begann er und wurde sogleich wieder still, als das Messer seine Haut ritzte.
„Nein, du hörst zu. Ich bin Kaia. Du kannst froh sein, dass ich diejenige bin, die dieses Messerchen in der Hand hält, und nicht Bianka oder Taliyah. Du hast Bianka angerufen und dich geweigert, sie mit Gwennie sprechen zu lassen, und jetzt will sie dich verprügeln – und zwar mit deinen eigenen Gliedmaßen. Taliyah will dich den Schlangen zum Fraß vorwerfen, Stück für Stück. Und ich, tja, ich bin gewillt, dir die Chance zu geben, dich zu erklären. Welche Pläne hattest du für sie?“
Er hätte reden und ihr sagen können, was sie wissen wollte, doch er tat es nicht. Nicht so. Wenn Gwens Schwestern länger hierblieben – und trotz Kaias Wut ging er davon aus, dass sie blieben – und für ihn kämpften, musste er sich als Kommandant behaupten.
Ohne mit einem Muskel zu zucken und sie damit vor dem zu warnen, was gleich geschehen würde, zog er Kaia auf sich. Die Klinge versank tief in seinem Hals und traf eine Sehne, doch davon ließ er sich nicht beeindrucken. Er rollte sie auf den Rücken, weg von Gwen, und hielt sie mit dem Gewicht seines muskulösen Körpers auf der Matratze fest.
Statt sich zu wehren, lachte sie. Das klimpernde Geräusch war wie Musik in seinen Ohren. „Elegante Bewegung. Kein Wunder, dass sie in deinem Bett liegt. Allerdings muss ich sagen, dass ich ein bisschen enttäuscht bin, weil du nicht auf meinen Kopf losgegangen bist. Von einem Herrn der Unterwelt hätte ich mehr erwartet.“
Offenbar hatte die bebende Matratze Gwen endlich geweckt, denn sie rang schwach nach Atem. Dann krächzte sie: „Kaia?“
Kaia richtete alle Aufmerksamkeit auf sie, und auf ihren Lippen zeigte sich ein bezauberndes Lächeln. „Hey, Baby. Lange nicht gesehen. Du denkst jetzt bestimmt, ich bin sauer auf dich, weil du eingeschlafen bist, aber du irrst dich. Ich weiß genau, wem ich die Schuld dafür geben muss. Um genau zu sein, waren dein Mann und ich gerade dabei, ein paar Details über deinen Aufenthalt hier zu klären. Wie geht es dir?“
„Du liegst unter ihm. Du liegst unter Sabin.“ Gwens Pupillen fraßen den Goldton auf … das Weiße … Ihre Nägel wurden länger und schärfer. Ihre Zähne glänzten bedrohlich in dem Licht.
Kaia japste. „Sie wird … sie wird wirklich …“
„Ja. Zur Harpyie.“ Mist. Sabin stieß Kaia mit aller Kraft vom Bett. Sie landete mit einem dumpfen Plumps auf dem Boden, doch das kümmerte ihn nicht. Kaum waren seine Arme frei, zog er Gwen an seinen warmen Körper, legte ihr einen Arm locker um den Hals und liebkoste ihr Gesicht, während er mit der anderen Hand die weichen Konturen ihres Bauchs streichelte, und zwar dort, wo ihr T-Shirt hochgerutscht war.
Sie bohrte ihm die Krallen in die Schultern und versenkte sie bis zu seinen Knochen, doch er ließ sich den Schmerz nicht anmerken. Sie hätte ihm noch viel mehr antun können.
„Wir haben uns nur unterhalten. Ich hätte ihr nicht wehgetan. Ich habe sie nur festgehalten, um das Messer aus meinem Hals zu ziehen, das ist alles. Sie ist hier, um dir zu helfen. Sie will nur das Beste für dich.“
„Willst du sie?“, fragte Gwen, und ihr Atem rasselte.
„Nein. Ich will sie nicht. Und sie will mich auch nicht. Das schwöre ich. Du weißt doch, dass ich nur dich will.“
Aus dem Augenwinkel sah er, dass Kaia aufgestanden war und ihn nun verzückt beobachtete.
Allmählich zogen sich Gwens Krallen zurück und hinterließen tiefe blutende Wunden. Ihr Blick klärte sich. Und während der ganzen Zeit war Zweifel seltsam still. Fast schon totenstill, als hätte er sich in die hinterste Ecke von Sabins Kopf verkrochen.
„Wow“, sagte Kaia schließlich. Sie klang leicht gereizt. „Beeindruckend. Du hast eine Harpyie allein mit Worten beruhigt. Du weißt, was das
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