Die Herren der Unterwelt 05 - Schwarze Leidenschaft
hatte niemals Freude erfahren. Obwohl er es verdient hätte.
Du kannst später für seine Seele beten. Wenn du auch stirbst, bist du nämlich niemandem mehr eine Hilfe. Olivia stand auf, während ihr die Tränen wie ein warmer Regen über die Wangen liefen. Sie konnte kaum etwas sehen, stolperte aber trotzdem vorwärts – in die gleiche Richtung wie Galen.
Der Flur führte in einen leeren Vorraum, und dieser leere Vorraum führte zu einer verschlossenen Tür. War das der Ausgang? Höchstwahrscheinlich. Durch den Spalt zwischen den Doppeltüren drang Sonnenlicht.
Sie schluckte, als sie den unverletzten Arm ausstreckte und einen Türflügel aufstieß. Sogleich hüllte sie warme Luft ein. Und tatsächlich strahlte die Sonne hell über einem Parkplatz. Zu hell für ihre überempfindlichen Augen. Doch sie kniff die Lider zusammen und stapfte weiter.
Bis sich ihr ein grinsender Galen in den Weg stellte.
Er hatte seine Flügel weit ausgebreitet, und sie bewegte sich zu schnell, als dass sie rechtzeitig hätte anhalten können. Sie stieß mit ihm zusammen, torkelte zurück und fiel gegen die Metallwand des Lagergebäudes. Mit einem erschrockenen, schmerzerfüllten Keuchen rutschte sie auf den mit Kieselsteinen bedeckten Boden.
„Ich habe mir schon gedacht, dass du zuerst nach dem Jungen sehen würdest“, sagte er, wobei sein Grinsen noch breiter wurde. „Deine Freunde sind schuld an seinem Tod, und dennoch wolltest du zu ihnen zurückkehren. Wie enttäuschend. Wie vorhersehbar.“
Dreckschwein!
Er stürzte auf die Wand zu, und Olivia rollte sich zur Seite, wobei sie mit einer Hand so viele Steinchen wie möglich packte. Sorgfältig darauf bedacht, keine weiteren Geräusche zu machen, rappelte sie sich auf, während Galen gegen die Wand knallte.
Er stand wieder auf. „Egal. Ich kann deine Fußspuren sehen. Jetzt brauche ich dir nur noch zu folgen.“
Danke für die Warnung. Im Zickzack bewegte sie sich weiter, während sie die Umgebung unaufhörlich nach einem sicheren Weg absuchte. Doch wohin sie auch sah, sie erblickte nur Staub und Geröll. Was bedeutete, dass er auch weiterhin ihre Fußabdrücke sähe, ganz egal, wo sie hinträte. Und so war es auch. Galen blieb ihr dicht auf den Fersen.
„Wenn du mir entwischst, werde ich mich als Nächstes Aeron widmen. Ich werde ihm den Kopf abschneiden, und du wirst mir hilflos dabei zusehen.“
Er verhöhnte sie. Er wollte sie zum Aufgeben zwingen.
Ganz langsam, Zentimeter für qualvollen Zentimeter, bewegte sich Olivia rückwärts. Galen folgte ihr. Sie warf einen Blick über ihre Schulter. Etwa hundert Meter entfernt lag eine belebte Gegend mit einer stark befahrenen Straße und vielen Gebäuden. Die Jäger hatten diesen Ort vermutlich gewählt, weil sie sich hier unauffällig auffällig hatten verstecken können. Was sie jedoch nicht mit einkalkuliert hatten, war, dass es auch für ihre Gefangenen leichter wäre, sich zu verstecken. Sie musste es nur irgendwie dorthin schaffen, dann wäre sie in Sicherheit. Dann wäre es unmöglich für ihn, sie zu finden.
Das Problem: Er war schnell, schneller als sie, und unverletzt. Wenn sie rannte, könnte er sie einholen. Das Risiko ist es wert.
Sie sammelte ihre letzten Kräfte aus Reserven, von deren Existenz sie bis dato selbst nichts gewusst hatte, wirbelte herum und sprintete los. Hinter sich hörte sie Kies knirschen. Galen war ihr also dicht auf den Fersen. Jedes Mal, wenn sie ein Bein vor das andere warf, protestierte ihr schmerzender Körper, doch sie steigerte ihr Tempo nur noch mehr.
Fast hatte sie es geschafft … als Galen nach dem Umhang griff und zog. Mit einem Aufschrei hielt sie den Stoff mit der freien Hand fest um ihren Körper geschlungen, bog um eine Ecke und raste geradewegs in eine Gruppe Fußgänger. Zwei fielen rückwärts um, wobei ihre Schulter und ihr Arm enthüllt wurden. Keuchend richtete Olivia den Umhang und presste sich dann gegen die nächstgelegene Mauer.
Sie warf die Kieselsteine, die sie noch immer festhielt, gegen einen Pfosten. Kling, kling, kling. Erwartungsvoll beobachtete sie, wie Galen an ihr vorbei auf den Pfosten zurannte und dann in die Richtung weiterlief, in der er sie vermutete.
Das war knapp gewesen. Nur um Haaresbreite war sie der Katastrophe entkommen. Aber sie hatte es geschafft. Sie hatte es tatsächlich geschafft.
Heißer Atem raste durch ihre Nase ein und aus, verbrannte ihre Kehle und Lunge. Jetzt badete sie förmlich im Schweiß, und wahrscheinlich roch sie
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