Die Herren der Unterwelt Bd. 8 - Schwarze Niederlage
Sensible und Schutzbedürftige gewesen. Dennoch hatte sie an dem Tag, als Tabitha sie unwürdig genannt hatte, nicht geweint. Sie hatte einfach mit den Achseln gezuckt und war weitergezogen. Nicht ein Mal hatte sie zurückgeblickt.
„Sie kann nicht ganz so schlecht sein“, meinte Sabin. „Nicht bei den Beinen.“
Männer. „Wusstest du, dass sie ein Kinderherz besitzt? Wirklich, es liegt in einer Schachtel neben ihrem Bett.“ Und weißt du noch was? Es gehört mir!
Nach dem unglückseligen Zwischenfall war Kaia ihrer Mutter jahrhundertelang wie ein demütiger Hund hinterhergelaufen. Sie hätte alles getan, hätte gegen jeden gekämpft, um sich den Respekt und die Liebe ihrer Mutter neu zu verdienen. Doch wieder und wieder hatte sie versagt. Schließlich hatte sie begriffen, wie fruchtlos ihre Bemühungen waren, und ihre Aufmerksamkeit auf die Menschen verlagert. Aber damit hatte sie bei Tabitha nur noch mehr Missachtung geerntet.
Stattdessen bleibst du in Alaska, kämpfst gegen Menschen, bestiehlst Menschen und spielst mit Menschen. Die Worte wehten abermals durch Kaias Kopf. Bei den Menschen galt sie als Hauptgewinn, als liebenswert, mutig und lustig. Natürlich hatte sie mit ihnen gespielt.
Du bist über ihre Zurückweisung hinweg, weißt du noch? Es macht dir nichts mehr aus.
Ihre Mutter betrat den Saal, dicht gefolgt von neun Harpyien. Als sich die Tür mit einem leisen Klicken schloss, blieb die Gruppe stehen und inspizierte den Raum – die Anwesenden. Alle zehn ließen den Blick mit rasender Geschwindigkeit über sie gleiten, als wäre sie unsichtbar.
Sieh mich an, dachte sie verzweifelt. Bitte, Mutter. Diese bedeutungsvollen Sekunden über fühlte sie sich wieder wie ein armes kleines Mädchen. Natürlich kehrte der goldene Blick nicht noch einmal zu ihr zurück. Stattdessen landete er auf Juliette und füllte sich mit Stolz. Stolz. Warum?
Spielte es eine Rolle? Ein verbittertes Lachen stieg in Kaias Kehle auf. Dann bemerkte sie die zueinanderpassenden Medaillons, die an ihren Hälsen baumelten, und das Lachen kam wie erstickt heraus. Kleine Holzscheiben, in deren Mitte verschlungene Flügel geschnitzt waren – das Symbol der Skyhawkschen Stärke. Kaia war immer damit klargekommen, dass ihre Mutter Juliette und die Mitglieder anderer verfeindeter Clans trainiert hatte. Aber einer anderen als einer Skyhawk diese Medaille zu geben? Oh, das tat weh!
Noch eine Erinnerung kam an die Oberfläche. Auf einmal spürte sie, wie Leder an ihrem Nacken rieb, als man ihr ihre Kette abriss.
„Unser Flug hatte Verspätung“, erklärte Tabitha, und ihre harte Stimme hallte von der gewölbten Decke wider. „Dafür entschuldigen wir uns.“
Wenn auch noch so steif geäußert … eine Entschuldigung? Von Tabitha der Teuflischen? Das war ein Novum. Träumte Kaia etwa? Hatte sie, ohne es zu bemerken, irgendein Paralleluniversum betreten? Nein, unmöglich. Dann hätte Tabitha sie nämlich angelächelt.
Dann hatte sie die Entschuldigung also tatsächlich ausgesprochen. Und das konnte nur eins bedeuten: dass Tabitha Respektvor Juliette hatte.
Ihre Knie begannen erneut zu zittern und ließen sich einfach nicht bändigen.
„Entschuldige die Verspätung“, hörte sie eine heisere Männerstimme hinter sich.
Und zurück zur Traumtheorie. Es war unmöglich, dass Strider hier war und sich entschuldigte. Kaia wirbelte herum. Mit Sicherheit hatte sich ihre Umgebung kein bisschen verändert. Doch zu ihrem großen Schrecken bestätigte ihr Sehsinn ihren Hörsinn.
Strider stand in seiner ganzen Kriegerpracht vor ihr.
Ein Lächeln von der geliebten Mutter hin oder her – sie hatte ein Paralleluniversum betreten. Eine andere Erklärung gab es einfach nicht. Oder doch? „Was machst du hier?“ Er zog eine Zimtfahne hinter sich her, und als Kaia sie – gierig – einatmete, verfiel ihr Herz in einen unkontrollierten Rhythmus.
„Den Göttern sei Dank“, murmelte Sabin. „Gwen hätte meine Eier fast zum Frühstück verspeist, als sie gehört hat, dass ich dich heute Morgen nicht daran gehindert habe, die Burg zu verlassen.“
Gwen wurde rot. „Sabin! Jetzt ist wirklich nicht der richtige Zeitpunkt, um unsere Bettgeheimnisse auszuplaudern.“
Bianka kicherte hinter vorgehaltener Hand. „Ich glaube nicht, dass er das gemeint hat, Gwennie-po-Pennie.“
Während sie sprach, stellte sich Lysander zwischen sie und die beiden dämonenbesessenen Krieger. Er hatte zwar einem Waffenstillstand mit den Herren der
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