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Die Herren des Geldes: Wie vier Bankiers die Weltwirtschaftskrise auslösten und die Welt in den Bankrott trieben (German Edition)

Die Herren des Geldes: Wie vier Bankiers die Weltwirtschaftskrise auslösten und die Welt in den Bankrott trieben (German Edition)

Titel: Die Herren des Geldes: Wie vier Bankiers die Weltwirtschaftskrise auslösten und die Welt in den Bankrott trieben (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liaquat Ahamed
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Todesschwadron finden mochte, hatte sich sein britischer Berufskollege ins Geschäftsleben gestürzt. Man sagte, dass die meisten Busflotten, die die Straßen Londons verstopften, Verbänden ehemaliger Armeeoffiziere gehörten und von ihnen betrieben wurden. Eine neue Freiheit lag in der Luft. Nachts im Westend hatten die strahlenden jungen Leute, die den Takt der Londoner Gesellschaft bestimmten, tanzen gelernt: Jog-trot, Vampire, Camel-Walk und den berüchtigsten Tanz von allen: den Charleston. Dies und eine gewisse Lockerung der zu Kriegszeiten erlassenen Alkohollizenzgesetze hatten dazu geführt, dass die Zahl der Nachtclubs explodiert war. In der Bond Street gab es den Embassy Club, einen beliebten Treffpunkt für den Prince of Wales und die Londoner Schickeria. In Haymarket gab es den angesagten Kit-Kat Club mit einer Tanzfläche für 400 Personen. An den meisten Tagen konnte man dort Edwina und Dickie Mountbatten sehen. In der Gerard Street 43 war der noch verrufenere Club »43« untergebracht, wo sich die Bohemiens trafen. Neben anderen verkehrten dort der Kronprinz von Schweden, Prinz Nicholas von Rumänien, Tallulah Bankhead, Augustus John und Joseph Conrad. Im April 1924 kam es zu einem Skandal, der die ganze Londoner Gesellschaft erschütterte: Im Club »43« gab es eine Razzia der Polizei, und eines der Mitglieder, der bekannte Londoner Restaurantbesitzer »Brillant« Chang, wurde als Chef eines Kokainrings verhaftet.
    Aber während London und der Süd-Osten die Rückkehr von Frieden und Prosperität feierten, lag 100 Meilen nördlich der Hauptstadt ein anderes Gebiet. Das industrielle Kernland Großbritanniens – die Midlands und der Norden – hatten zu kämpfen, während London tanzte. Die großen traditionellen Industrien – die Baumwollfabriken von Lancashire, die Kohleminen von Nottinghamshire und Südwales und die Werften entlang des Tyne – einst die Motoren des viktorianischen Booms, aber nun auf dem Weltmarkt nicht mehr konkurrenzfähig, waren in eine schwere wirtschaftliche Krise geraten. Die Textilexporte waren nur noch halb so hoch wie 1913, und dasselbe galt auch für Kohle. Über 1,25 Millionen Menschen waren arbeitslos und eine weitere Million arbeitete Teilzeit. In einigen Orten – in den trübseligen Bergwerksregionen Yorkshires oder in der ruinierten Schiffbaustadt Jarrow – hatte jeder zweite keinen Job.
    Die Ironie lag darin, dass die wirtschaftlichen Probleme Großbritanniens nicht das Ergebnis von Unfähigkeit oder finanzieller Sündenfälle waren, sondern der bedauerliche Nebeneffekt eines hohen Maßes an finanzieller Tugend und Rechtschaffenheit. Die 1920 und 1921getroffene Entscheidung, die Wirtschaft zu deflationieren, um die Inflation der Kriegsjahre auszugleichen, war zum Teil erfolgreich gewesen. Die Preise sanken vom Nachkriegshoch aus um 50 Prozent, und die Schwäche der Währung wurde behoben. Das Pfund, das bis auf 3,20 Dollar gesunken war, stieg unter starken Schwankungen bis auf 4,30 Dollar. Aber der Preis der finanziellen Orthodoxie war hoch. Großbritannien hatte sich zwar von der Rezession 1921 erholt, aber die Erholung war gedämpft worden. Die Londoner City hatte Probleme, mit New York in den Wettbewerb um finanzielle Mittel zu treten. Folglich musste das Zinsniveau hochgehalten werden, und die Arbeitslosigkeit verharrte hartnäckig oberhalb von zehn Prozent.
    Der Vergleich zwischen Großbritannien und Frankreich war erstaunlich. Großbritannien hatte die orthodoxeste und vorsichtigste Finanzpolitik aller europäischen Mächte verfolgt, hatte seine Schulden nicht weginflationiert oder seine Währung kollabieren lassen. Der Lohn war die höchste Arbeitslosenrate in Europa und eine lahmende Wirtschaft. Im Gegensatz dazu waren im Krieg feindliche Truppen nach Frankreich eingedrungen. Mit Ausnahme von Serbien hatte das Land die meisten Kriegstoten zu beklagen, große Teile seiner fruchtbarsten Gebiete wurden eingeebnet und zerstört.
    Nach dem Krieg hatten die Franzosen ihr Heil in der Inflation und in einem schwachen Franc gesucht, um den Briten Marktanteile abzunehmen, indem sie ihre Güter billiger machten. Obwohl die Regierung seit dem Krieg ständig am Rand der Insolvenz entlanggetaumelt war, hatte die Wirtschaft insgesamt gut abgeschnitten, die Exporte hatten geboomt. Die Arbeitslosenzahl in Frankreich betrug nur einen Bruchteil der britischen. Ein zeitgenössischer Journalist fasste es so zusammen: »Während England finanziell gesund und wirtschaftlich

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