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Die Herren des Geldes: Wie vier Bankiers die Weltwirtschaftskrise auslösten und die Welt in den Bankrott trieben (German Edition)

Die Herren des Geldes: Wie vier Bankiers die Weltwirtschaftskrise auslösten und die Welt in den Bankrott trieben (German Edition)

Titel: Die Herren des Geldes: Wie vier Bankiers die Weltwirtschaftskrise auslösten und die Welt in den Bankrott trieben (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liaquat Ahamed
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früher angekommen war und ihm daher einen Schritt voraus sein könnte. Er bestand darauf, sich direkt vom Schiff zu den Büros der New Yorker Fed in der Innenstadt zu begeben.
    Im Lauf der Jahre hatte jede der Zentralbanken ihre eigenen charakteristischen architektonischen Merkmale entwickelt, die in gewisser Weise die Eigenheiten der jeweiligen Institution ausdrückten. Während zum Beispiel die Bank of England wie eine mittelalterliche Zitadelle aussah, die Banque de France wie ein Adelspalast und die Reichsbank wie ein Regierungsministerium, hatte sich die New Yorker Federal Reserve aus irgendeinem Grund – vielleicht als Verbeugung vor den Handelsfürsten aus dem Italien der Renaissance, die die ersten internationalen Bankiers waren – für ein Gebäude entschieden, das einem florentinischen Palazzo glich. Mit den Bögen im Erdgeschoss, den massiven Sandstein- und Kalksteinmauern, die von Reihen kleiner, rechteckiger Fenster durchbrochen waren und einer Loggia, die die zwölfte Etage schmückte, war es eine fast exakte Imitation der Palazzi Pitti oder Riccardi in Florenz – wenn es auch deutlich größer und monumentaler war.
    Im zwölften Stockwerk dieses nachgebauten italienischen Palasts trafen sich die vier Bankgroßmächte zum ersten Mal. An diesem Wochenende begaben sie sich allerdings heimlich an einen ungenannten Ort außerhalb der Stadt, um den lauernden Augen der Presse zu entgehen. Strong hatte für das heimliche Treffen das Sommerhaus von Ogden L. Mills ausgesucht, des Unterstaatssekretärs im Finanzministerium. In einer Administration, in der der Finanzminister, Andrew Mellon, der drittreichste Mann des Landes war, lag es nahe, dass sein Stellvertreter der Erbe des Vermögens eines Kautschukbarons war. Ogden Mills war allerdings selbst nach den Maßstäben des Reichtums in der dritten Generation ein sehr ernsthafter Mann mit einem Jura-Abschluss in Harvard, der bei einer angesehenen New Yorker Anwaltsfirma Karriere gemacht hatte.
    Er hatte die Privilegien ererbten Reichtums aber nicht vollständig abgelegt. 39 Sein Anwesen lag an der Nordküste von Long Island. Heute hat sich die Stadt längst bis dorthin ausgedehnt, und man kann kaum noch glauben, dass dort einmal ein geheimes Konklave der Zentralbankiers stattgefunden hat. Aber in den 1920er-Jahren war dies die »Goldküste«, eine heute längst versunkene, an Gatsby erinnernde Welt aus Herrenhäusern mit vergoldeten Decken, großspurigen, formal gestalteten Gärten und Marmor-Pavillons, aus Rennställen, Fuchsjagden und Polofeldern, mit Schlössern, die größer waren als die in Schottland oder im Tal der Loire. Dort empfingen J. P. Morgan, Otto Hermann Kahn von Kuhn Loeb und der Kupferkönig Daniel Guggenheim ihre Gäste.
    Gemessen am Standard einiger Nachbarn war Mills’ Haus mit nur 20 Zimmern eine bescheidene Bleibe. Es war ein elegantes, neo-georgianisches, aus Ziegeln gebautes Herrenhaus am Jericho Turnpike in der Stadt Woodbury, New York. Ein paar Hundert Meter weiter stand Woodlands, ein Gut mit 32 Zimmern, das Andrew Mellon kürzlich als Hochzeitsgeschenk für seine Tochter Ailsa gekauft hatte. Wenn man die Straße eine Meile hinunterfuhr, stieß man auf Oheka, das zweitgrößte Haus in den USA, ein nachgebautes Schloss mit 127 Zimmern, das Kahn gehörte.
    Die vier Männer blieben fünf Tage lang in Klausur, ein offizielles Protokoll der Diskussionen wurde nicht geführt. Obwohl sie Kontakt hatten und zusammen aßen, kamen sie selten als Gruppe zusammen, sondern hielten Unterredungen unter vier Augen ab. Vor allem Strong und Norman verbrachten viele Stunden »hinter verschlossenen Türen.« Bei den Diskussionen ging es fast ausschließlich darum, die Goldreserven Europas zu stärken und Möglichkeiten zu finden, den Goldfluss von den USA nach Europa zu fördern.
    Norman dominierte die Verhandlungen und saß am Kopfende des Konferenztischs in einem orientalischen Stuhl mit einem Ventilator dahinter. Trotz des heißen Wetters bestand er darauf, sein Cape mit dem Samtkragen zu tragen, das den pittoresken Eindruck, den er machte, nur noch verstärkte. Er ließ keinen Zweifel daran, dass seine Goldreserven ein gefährlich niedriges Niveau erreicht hatten. Jeder weitere Rückgang würde ihn dazu zwingen, die Zinsen zu erhöhen. Die Verbindung zwischen dem Pfund und dem Gold war ernsthaft in Gefahr. Außerdem, so argumentierte er, war der anhaltende weltweite Rückgang der Großhandelspreise ein Symptom eines sich verstärkenden weltweiten

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