Die Herren des Geldes: Wie vier Bankiers die Weltwirtschaftskrise auslösten und die Welt in den Bankrott trieben (German Edition)
Botschaft. Die Boardmitglieder konnten nicht umhin, den fast unheimlichen Einfluss zu bemerken, den er auf die New Yorker Fed auszuüben schien – zuerst auf Strong und nun auf Harrison. Ein Gouverneur kommentierte später, dass Harrison »für Norman lebte und atmete.«
Während Harrison und Norman auf Zinserhöhungen drängten, setzte das Board seine Kampagne für direkte Aktionen fort. Am 2. Februar gab es an alle Mitgliedsbanken die Direktive heraus, sie sollten sich bei der Fed »für den Zweck, spekulative Kredite zu vergeben oder für den Zweck, spekulative Kredite zu stützen«, kein Geld leihen. Zwei Tage später machte es diese Direktive publik. Der Dow fiel in den nächsten Tagen um 20 Punkte, erholte sich aber schnell und erreichte am Ende der Woche wieder seinen Höchststand. Die Einstellung der Börse wurde am besten in einem Editorial der Hearst-Zeitungen auf den Punkt gebracht: »Wenn es falsch ist, Aktien zu kaufen und zu verkaufen, sollte die Regierung die Börse schließen. Wenn nicht, sollte sich das Federal Reserve Board um seine eigenen Angelegenheiten kümmern.«
Erschüttert von seiner Reise brach Norman Mitte Februar nach Hause auf. Bei seinen früheren Besuchen in den USA hatte eine kameradschaftliche Atmosphäre geherrscht, und sein Freund Strong hatte immer einen beruhigenden Einfluss auf ihn ausgeübt. Diesmal kehrte er ebenso verunsichert nach Großbritannien zurück wie er aufgebrochen war. Es war »die härteste Zeit, die er in Amerika je erlebt hatte«, berichtete er seinen Kollegen. Er hatte die amerikanischen Zentralbankiers durch Unentschlossenheit paralysiert vorgefunden. Im Federal Reserve System gab es keinen »Anführer«. Die Bankiers waren »zerstritten, uneinig und wussten nicht, was sie tun sollten.« In einem Rundbrief an verschiedene Chefs europäischer Zentralbanken schrieb er, er sei in der Hoffnung gereist, ein klareres Bild davon zu erhalten, was in den USA vor sich ging, nur um dann »mit einem noch tieferen Gefühl der Verwirrung und Unklarheit« zurückzukehren.
Derweil intensivierte sich in den USA der Streit zwischen dem Board und der New Yorker Fed. Am 11. Februar votierten die elf Direktoren der New Yorker Fed einstimmig dafür, die Zinsen um ein Prozent auf sechs Prozent zu erhöhen. Harrison rief Young in Washington an, um ihn über diese Entscheidung zu informieren und weil er das Recht des Boards anerkannte, sie zu überstimmen. Young bat um Zeit zum Nachdenken über die Initiative, aber Harrison bestand auf einer definitiven Antwort noch am selben Tag. Nach drei Stunden ständiger Telefonanrufe hin und zurück, in denen Young Harrison erfolglos davon zu überzeugen versuchte, keinen Machtkampf zu erzwingen, teilte er ihm schließlich mit, das Board habe die Zinserhöhung abgelehnt. In den folgenden drei Monaten stimmten die Direktoren in New York zehn Mal für eine Zinserhöhung, über die sich Washington jedes Mal hinwegsetzte.
Durch diese Pattsituation zwischen ihren beiden wichtigsten Gremien war die Fed nun gelähmt. Das Board behauptete, der richtige Weg, um die Luft aus der Spekulationsblase zu lassen seien »direkte Aktionen«: Kreditkontrollen, vor allem Kontrollen der Brokerkredite. New York beharrte ebenso stur darauf, eine solche Politik werde nicht funktionieren, denn es sei unmöglich, die Verwendung von Krediten zu kontrollieren, sobald sie die Türen der Federal Reserve verlassen hätten. Derweil beschleunigte sich das Tempo der Spekulation.
Es war nicht hilfreich, dass die Fed offenbar nicht einmal dazu in der Lage war, ihre Kontrolle über die leitenden Bankiers zu erfüllen, geschweige denn über die Massenpsychologie der Investoren. Ende März wurde bekannt gegeben, dass sich die Summe der Brokerkredite auf fast sieben Milliarden Dollar erhöht hatte, und der Markt war begeistert. Die Furcht, drastische Aktionen der Fed stünden bevor, um die Menge der Kredite einzuschränken, die in den Aktienmarkt flossen, ließ die Zinsen für Brokerkredite auf über 20 Prozent ansteigen. Stattdessen widersetzte sich Charlie Michell von der National Bank, selbst ein Direktor der New Yorker Fed, dem Board, indem er eine Pressekonferenz einberief und verkündete, seine Bank werde zusätzliche 25 Millionen Dollar in Brokerkredite pumpen, um den Aktienmarkt zu stützen. Danach war die letzte verbliebene Glaubwürdigkeit der Fed endgültig dahin.
Es ist natürlich leicht, die Fed zu beschuldigen, weil sie sich auf bürokratische Streitereien
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