Die Herren des Geldes: Wie vier Bankiers die Weltwirtschaftskrise auslösten und die Welt in den Bankrott trieben (German Edition)
worden, was etwa 50 Prozent des Bruttoinlandsprodukts entsprach – und der Heftigkeit des Kursrückgangs zeigten sich viele Zeitungen überraschend zuversichtlich und schrieben von einer »Wohlstandspanik«. Die New York Evening World argumentierte sogar, zu dieser Panik sei es nur gekommen, weil »die grundlegenden Bedingungen so gut (gewesen) waren«, dass die Spekulanten »eine Entschuldigung dafür hatten, dass sie den Verstand verloren«, was zur Entstehung einer Blase und schließlich zu deren Platzen führte.
Die New York Sun vertrat die Ansicht, der Crash werde nur minimale Auswirkungen auf die Wirtschaft haben und man könne die Realwirtschaft von der Börse abkoppeln. »Kein Farmer aus Iowa wird sein Katalog-Bestellformular zerreißen, weil die Aktie von Sears Roebuck unter die Räder gekommen ist. Keine Hausfrau aus Manhattan hat den Wasserkessel vom Herd genommen, weil die Aktie von Consolidated Gas auf 100 Dollar gesunken ist. Niemand hat sein Auto über den Winter stillgelegt, weil die Aktie von General Motors um 40 Dollar unter ihr Jahreshoch gesunken ist.«
BusinessWeek , einer der lautstärksten Kritiker der Spekulation, als es noch nach oben gegangen war, ging sogar noch einen Schritt weiter und behauptete, die Wirtschaft wäre jetzt in besserer Verfassung, nachdem die Blase zerplatzt war. »Sechs Jahre lang hat die amerikanische Wirtschaft einen beträchtlichen Teil ihrer Aufmerksamkeit, ihrer Energie und ihrer Ressourcen für das spekulative Spiel abgezweigt … Nun ist dieses irrelevante, fremdartige und gefährliche Abenteuer vorbei. Die Wirtschaft widmet sich wieder ihrer eigentlichen Aufgabe, glücklicherweise unbeschadet, gesund an Haupt und Gliedern und finanziell stärker als je zuvor.«
Konsens war allerdings, dass der Crash eine vorübergehende und milde wirtschaftliche Rezession verursachen werde, vor allem im Bereich der Luxusgüter. B. C. Forbes, der Gründer des Forbes -Magazins, drückte es so aus: »So wie die Börsengewinne den Kauf aller Arten von Komfort und Luxusgütern stimuliert haben, werden Börsenverluste zwangsläufig den entgegengesetzten Effekt haben.«
Tatsächlich erwiesen sich die unmittelbaren Auswirkungen auf die USA als wesentlich schwerwiegender als irgendjemand erwartet hatte. Die Industrieproduktion sank im Oktober um fünf Prozent und im November um weitere fünf Prozent. Die Zahl der Arbeitslosen, die im Sommer 1929 bei etwa 1,5 Millionen gelegen hatte, was drei Prozent der arbeitsfähigen Bevölkerung entsprach, schoss im Frühling 1930 auf fast drei Millionen nach oben. Das Land war emotional dermaßen in die Launen der Wall Street verstrickt, dass sich die psychologischen Auswirkungen des Zusammenbruchs als sehr tiefgehend erwiesen, vor allem was die Nachfrage der Verbraucher nach teuren Gütern betraf: die Autos, Radios, Kühlschränke und die anderen neuen Produkte, die im Mittelpunkt des Booms gestanden hatten. Die Autozulassungen im ganzen Land fielen um 25 Prozent und es hieß, die Radioverkäufe in New York seien um die Hälfte gesunken.
Der Herausgeber des Economist , Francis Hirst, der auf einer Reise in die USA erkrankt war und sich Ende des Jahres in Atlantic City erholte, erfasste die vorherrschende Stimmung. »Reiche Leute, die ihre Aktien nicht verkauft haben, fühlen sich wesentlich ärmer … Daher war das erste Resultat ein deutlicher Rückgang jeder Art von Luxuskäufen, und es gab auch umfangreiche Verkäufe von Dingen wie Autos und Pelzmänteln, die man nun aus zweiter Hand zu überraschend niedrigen Preisen kaufen kann. Die beliebtesten Erholungsorte haben enorm gelitten … viele Bedienstete, darunter Butler und Chauffeure, wurden entlassen.«
Sofort nach dem Crash schritt Hoover zur Tat, dem nichts lieber war als Notsituationen. Er war einer der am härtesten arbeitenden Präsidenten in der amerikanischen Geschichte, setzte sich um 8.30 Uhr an den Schreibtisch und saß in den frühen Morgenstunden immer noch dort. Innerhalb eines Monats hatte seine Administration eine Erhöhung der Ausgaben für öffentliche Bauten durchgesetzt und legte dem Kongress eine Gesetzesinitiative vor, die Einkommensteuer um ein Prozent zu kürzen. Die Bundesregierung war damals allerdings noch klein – ihre Gesamtausgaben beliefen sich auf 2,5 Milliarden Dollar, was nur 2,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts entsprach –, und der Effekt dieser fiskalischen Maßnahmen beschränkte sich darauf, nur einige hundert Millionen Dollar, weniger als 0,5
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