Die Herren des Nordens
König von Northumbrien genannt, und das war eine Anmaßung, doch westlich der Hügel geschehen
viele seltsame Dinge, und ein Mann kann dort auch behaupten, über den Mond zu herrschen, wenn es ihm gefällt, denn kein Mensch
außerhalb Cumbriens wird das auch nur im Geringsten zur Kenntnis nehmen. Hardnicut hatte für die mächtigeren Herren rund um
Eoferwic keine Bedrohung dargestellt. In der Tat hatte er für überhaupt niemanden eine Bedrohung dargestellt, denn Cumbrien
war ein jämmerlicher, armseliger Landstrich, nachdem es immerzu von den Nordmännern aus Irland oder den Schreckenshorden aus
Strath Clota überfallen wurde, dessen König Eochaid sich selbst König von Schottland nannte, ein Titel, den ihm Aed streitig
machte, der gerade gegen Ivarr kämpfte.
Die Dreistigkeit der Schotten, so pflegte mein Vater zu sagen, kennt keine Grenzen. Er hatte Grund genug, das zu sagen, denn
die Schotten beanspruchten viel Land, das zu Bebbanburg gehörte, und bis die Dänen kamen, kämpfte unsere Familie immerzu gegen
Stämme aus dem Norden. Ich hatte als Kind gelernt, dass es in Schottland die unterschiedlichsten Stämme gab, doch die beiden
Stämme, die in der größten Nachbarschaft zu Northumbrien lebten, |73| waren zum einen die Schotten selbst, deren König jetzt Aed war, und zum anderen die Wilden aus Strath Clota, die an der Westküste
lebten und niemals in der Nähe von Bebbanburg auftauchten. Sie raubten stattdessen Cumbrien aus, und deshalb hatte Hardnicut
beschlossen, sie zu bestrafen, und war mit einer kleinen Streitmacht Richtung Norden in ihr Hügelland vorgerückt. Dort ging
er in eine Falle Eochaids von Strath Clota, und sein Heer wurde aufgerieben. Guthred war mit seinem Vater in den Kampf gezogen
und gefangen genommen worden. Danach hatte er zwei Jahre lang als Sklave bei ihnen gelebt.
«Warum haben sie Euch nicht umgebracht?», fragte ich.
«Eochaid hätte mich umbringen sollen», räumte Guthred fröhlich ein, «aber zuerst wusste er nicht, wer ich bin, und als er
es schließlich herausfand, hatte er keine Lust mehr zum Töten. Er trat mich ein paar Mal und erklärte mir dann, ich müsse
ihm als Sklave dienen. Es gefiel ihm, mir dabei zuzusehen, wie ich seinen Scheißekübel leerte. Ich war ein Haushaltssklave,
versteht Ihr? Das war noch eine besondere Erniedrigung.»
«Ein Haushaltssklave zu sein?»
«Ich musste Frauenarbeit machen», erklärte Guthred, «aber das bedeutete auch, dass ich viel Zeit mit den Mädchen in der Küche
verbrachte. Das hat mir sehr gefallen.»
«Und wie seid Ihr Eochaid entkommen?»
«Das bin ich nicht. Gelgill hat mich ihm abgekauft. Er hat einen wirklich hohen Preis für mich bezahlt!» Aus Guthreds Stimme
klang Stolz.
«Und Gelgill hatte vor, Euch an Kjartan weiterzuverkaufen?», fragte ich.
«O nein! Er wollte mich an die Priester von Cair Ligualid verkaufen!» Er nickte in Richtung der sieben Geistlichen, die ich
mit ihm zusammen gerettet hatte. «Sie hatten |74| sich vorher schon über den Preis geeinigt, versteht Ihr? Aber Gelgill wollte mehr, und dann haben sie sich alle mit Sven getroffen,
und der wollte natürlich nicht, dass dieser Verkauf zustande kam. Er wollte, dass ich nach Dunholm gehe, und Gelgill hätte
für Sven und seinen Vater alles getan, deshalb war unser Schicksal besiegelt, bis Ihr aufgetaucht seid.»
Manches in dieser Erzählung ergab Sinn, und nachdem ich mit den sieben Geistlichen gesprochen und Guthred weitere Fragen gestellt
hatte, konnte ich mir den Rest selbst zusammenreimen. Gelgill, der auf beiden Seiten der Grenze als Sklavenhändler bekannt
war, hatte Eochaid für eine beträchtliche Summe Guthred abgekauft, nicht, weil Guthred diesen Preis wert gewesen wäre, sondern
weil ihn die Priester mit diesem Handel beauftragt hatten. «Zweihundert Silberstücke, acht Bullen, zwei Säcke Malz und ein
silberbeschlagenes Trinkhorn. So viel kostete ich», erklärte mir Guthred in bester Laune.
«So viel hat Gelgill bezahlt?» Das erstaunte mich.
«Nein, nicht er. Die Priester haben bezahlt. Gelgill hat nur die Verhandlungen geführt.»
«Die Priester haben für Euch bezahlt?»
«Sie müssen das Silber von ganz Cumbrien dafür zusammengekratzt haben», sagte Guthred stolz.
«Und Eochaid war damit einverstanden, Euch zu verkaufen?»
«Bei diesem Preis? Natürlich war er einverstanden! Warum auch nicht?»
«Er hat Euren Vater umgebracht. Eure Pflicht ist es also, ihn umzubringen. Und das
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