Die Herren des Nordens
weiß er.»
«Ich glaube eher, dass er mich gemocht hat», sagte Guthred, und das konnte ich mir auch vorstellen, denn Guthred war außerordentlich
anziehend. Er begann jeden |75| Tag, als sei von ihm nichts außer Freuden zu erwarten, und in seiner Gesellschaft wirkte das Leben irgendwie heiterer. «Er
ließ mich immer noch seinen Scheißekübel ausleeren», räumte Guthred ein, als er mehr von Eochaid erzählte, «aber er hörte
damit auf, mich jedes Mal zu treten, wenn ich es tat. Und es gefiel ihm, mit mir zu reden.»
«Worüber?»
«Ach, über alles! Die Götter, das Wetter, Fischen, wie man guten Käse macht, Frauen, einfach alles. Und er hielt mich nicht
für einen Krieger, und das bin ich in Wahrheit auch nicht. Jetzt, wo ich König bin, muss ich natürlich auch Krieger sein,
aber der Kampf gefällt mir nicht besonders. Eochaid hat mich schwören lassen, dass ich niemals einen Krieg gegen ihn anfangen
werde.»
«Und das habt Ihr geschworen?»
«Natürlich! Ich mag ihn. Ich plündere seinen Viehbestand und bringe jeden Mann um, den er nach Cumbrien schickt, aber das
ist ja kein Krieg, oder?»
Also hatte Eochaid das Silber der Kirche genommen, und Gelgill hatte Guthred nach Northumbrien gebracht. Doch statt ihn den
Priestern zu überantworten, war er mit ihm weiter nach Westen gezogen, weil er vermutete, er könne aus Guthred mehr Geld herausholen,
wenn er ihn an Kjartan verkaufte, statt sich an den Vertrag zu halten, den er mit den Geistlichen geschlossen hatte. Die Priester
und Mönche folgten ihm und flehten um Guthreds Freilassung, und da trafen alle zusammen auf Sven, der nun für sich selbst
eine Gelegenheit erkannte, aus Guthred seinen Vorteil zu ziehen. Dieser befreite Sklave war der Sohn Hardnicuts, und das machte
ihn zum Erben cumbrischer Ländereien, und deshalb glaubte Sven, auf einen sehr ansehnlichen Beutel voll Lösegeld zählen zu
können. Er hatte geplant, Guthred nach Dunholm zu bringen, wo |76| er zweifellos auch die sieben Kirchenmänner töten wollte. Und dann war ich aufgetaucht, das Gesicht in schwarzes Leinen gewickelt,
und jetzt war Gelgill tot, Svens Haar stank nach Pisse, und Guthred war frei.
Das alles verstand ich, aber was keinen Sinn ergab, war, dass sieben sächsische Geistliche von Cair Ligualid gekommen waren,
um ein Vermögen für Guthred zu zahlen, der sowohl ein Däne als auch ein Heide war. «Weil ich ihr König bin, natürlich», sagte
Guthred, als wäre das ganz klar, «obwohl ich nie gedacht hätte, dass ich eines Tages König werden würde. Nicht, nachdem mich
Eochaid in Gefangenschaft genommen hatte, doch das alles ist der Wille des Christengottes. Wer bin ich, dagegen aufzubegehren?»
«Ihr Gott will Euch?», fragte ich und warf einen Blick auf die sieben Kirchenleute, die so weit gereist waren, um ihn zu befreien.
«Ihr Gott will mich», sagte Guthred ernst, «weil ich der Erwählte bin. Meint Ihr, ich sollte Christ werden?»
«Nein», sagte ich.
«Ich glaube, ich sollte Christ werden», sagte er, ohne meine Antwort zu beachten, «schon um meine Dankbarkeit zu beweisen.
Die Götter mögen Undankbarkeit nicht, oder?»
«Was die Götter mögen», sagte ich, «ist Unordnung und Verworrenheit.»
Und die Götter waren glücklich.
Cair Ligualid war ein armseliger Ort. Nordmänner hatten ihn zwei Jahre zuvor ausgeraubt und niedergebrannt, kurz nachdem Guthreds
Vater von den Schotten getötet worden war, und nicht einmal die Hälfte der Stadt war wieder aufgebaut worden. Was von ihr
übrig war, stand am südlichen Ufer des Hedene, und deshalb gab es die Siedlung überhaupt, |77| denn sie lag an der ersten Überquerungsmöglichkeit des Flusses, eines Flusses, der gegen die einfallenden Schotten einen gewissen
Schutz bot. Keinen Schutz allerdings hatte er gegen die Raubmannschaften geboten, die den Hedene heraufgesegelt waren. Sie
hatten gestohlen, was sie konnten, geschändet, wen sie wollten, umgebracht, wen sie nicht wollten, und wer dann noch lebte,
war von ihnen als Sklave mitgenommen worden. Diese Krieger waren von ihren Siedlungen aus Irland gekommen, und sie waren mit
den Sachsen verfeindet, mit den Iren, den Schotten und zuweilen sogar mit ihren Verwandten, den Dänen. Sie hatten die Dänen
nicht verschont, die in Cair Ligualid lebten. Also ritten wir durch ein zerstörtes Tor und durch eine zerstörte Stadtmauer
in eine zerstörte Stadt. Als wir ankamen, senkte sich gerade die Dämmerung herab, der
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