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Die Herren des Nordens

Titel: Die Herren des Nordens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Cornwell
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sah Hrothweard riesig groß aus. Er erhob die
     Arme, um die Menge zum Schweigen zu bringen. Dann ließ er sie warten, blickte hinunter in die Gesichter, die zu ihm aufschauten,
     und hinter ihm erklang der feierliche Gesang der Mönche, und irgendwo im Dunkel rief eine Eule, und da ballte Hrothweard die
     Fäuste |164| und reckte sich noch höher, als könne er den mondüberglänzten Himmel erreichen. «Ivarr ist geschlagen!», rief er endlich.
     «Lob sei Gott und allen Heiligen, der Tyrann Ivarr ist geschlagen! Er hat sein Heer verloren!»
    Und die Leute von Haliwerfolkland, die den Kampf mit dem mächtigen Ivarr gefürchtet hatten, jubelten, bis sie heiser waren,
     weil das größte Hindernis für Guthreds Herrschaft in Northumbrien einfach so verschwunden war. Nun konnte er sich wahrhaftig
     König nennen, und das tat er auch. König Guthred.

|165| VIER
    Es hatte eine Schlacht gegeben, so hörten wir, ein Gemetzel, einen entsetzlichen Kampf, in einem Tal, in dem der Gestank nach
     Blut in der Luft gestanden hatte. Und dort war Ivarr Ivarson, der mächtigste Däne Northumbriens, von Aed von Schottland besiegt
     worden.
    Das Töten auf beiden Seiten war grässlich gewesen. Am nächsten Morgen hörten wir mehr von dem Kampf, denn sechzig weitere
     Überlebende kamen bei uns an. Ihr Trupp war groß genug, um von Kjartans Leuten nicht behelligt zu werden, und sie taumelten
     immer noch unter den Schlägen, die sie auf dem grauenvollen Schlachtfeld erhalten hatten. Ivarr war über einen Fluss und in
     ein Tal gelockt worden, wo er Aeds Versteck zu finden glaubte. Aber es war eine Falle gewesen. Die Hänge auf beiden Seiten
     des Tales waren voll von Aeds Kriegern gewesen, die brüllend durch Nebel und Heidekraut stürmten, um auf den dänischen Schildwall
     einzuhacken. «Es waren Tausende», sagte ein Mann, und bei diesen Worten zitterte er.
    Ivarrs Schildwall hielt stand, aber ich konnte mir die Grausamkeit dieser Schlacht vorstellen. Mein Vater hatte oft gegen
     die Schotten gekämpft, und er hatte sie immer wie leibhaftige Dämonen beschrieben. Irrsinnige Dämonen, sagte er, Schwertdämonen,
     brüllende Dämonen. Und Ivarrs Leute erzählten uns, wie sie sich nach diesem ersten Angriff gesammelt hatten und Schwerter
     und Speere einsetzten, um die Dämonen niederzumachen, aber immer weiter stürmten die kreischenden Horden heran und sprangen
     mit blutverschmiertem, fliegendem Haar und |166| zischenden Schwertern über ihre eigenen Toten. Da hatte Ivarr versucht, an der Nordseite aus dem Tal zu kommen und eine Hügelkuppe
     zu erreichen. Also musste er sich hackend und stechend einen Weg durch die dichtgedrängten Gegner kämpfen, und es war ihm
     misslungen. Darauf hatte Aed seine Haustruppe auf Ivarrs beste Männer gehetzt, und die Klingen sangen, und ein Krieger Ivarrs
     nach dem anderen starb. Ivarr, berichteten die Überlebenden, hatte gekämpft wie ein Besessener, aber dann traf ihn ein Schwerthieb
     in die Brust, und ein Speer schlitzte sein Bein auf. Also zogen ihn seine Männer aus dem Schildwall. Er wütete gegen sie,
     wollte im Angesicht seiner Feinde sterben, doch seine Leute hielten ihn zurück und wehrten die Dämonen ab. Und dann kam langsam
     die Nacht.
    Der hinterste Teil der dänischen Aufstellung hielt weiter stand, und die Überlebenden, fast alle blutend, schleppten ihren
     Anführer in Richtung des Flusses. Ivarrs Sohn, Ivar, der gerade erst sechzehn Jahre alt war, versammelte die Leichtverwundeten
     um sich, und mit ihnen machte er einen Ausfall und durchbrach die Einkesselung. Doch Dutzende fanden später noch den Tod,
     als sie versuchten, im Dunkeln den Fluss zu überqueren. Manche wurden von dem Gewicht ihrer Rüstung unter Wasser gezogen und
     ertranken. Andere wurden an seichten Stellen niedergemetzelt, und vielleicht schaffte es ein Sechstel von Ivarrs Streitmacht
     zurück ans südliche Ufer, wo sie sich eng zusammenkauerten und den Schreien der Sterbenden und dem Brüllen der Schotten lauschten.
     In der Morgendämmerung bildeten sie einen Schildwall, weil sie erwarteten, die Schotten würden übers Wasser kommen und ihr
     Werk vollenden. Aber Aeds Leute waren fast ebenso geschlagen und erschöpft wie die unterlegenen Dänen. «Wir haben Hunderte
     getötet», sagte ein Mann trostlos, und später |167| hörten wir, dass es stimmte, und dass sich Aed zurück nach Norden geschleppt hatte, um seine Wunden zu lecken.
    Graf Ivarr lebte noch. Er war verwundet, aber er lebte. Angeblich

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