Die Herren des Nordens
versteckte er sich in den Hügeln, weil er fürchtete, in
die Gewalt Kjartans zu geraten. Also sandte Guthred hundert Reiter aus, um ihn zu suchen, und sie stellten fest, dass auch
Kjartans Leute die Hügel durchforsteten. Ivarr musste gewusst haben, dass er gefunden werden würde, und er zog es vor, Guthreds
und nicht Kjartans Gefangener zu sein. Deshalb ergab er sich einem Trupp von Ulfs Männern, die den verletzten Grafen kurz
nach Mittag zurück in unser Lager brachten. Ivarr konnte nicht reiten und wurde daher auf einem Schild getragen. Er wurde
von seinem Sohn und dreißig weiteren Überlebenden begleitet, von denen manche ebenso schwer verwundet waren wie ihr Anführer.
Als Ivarr klar wurde, dass er gleich dem Mann begegnen würde, der sich Northumbriens Thron angeeignet hatte, bestand er darauf,
bei dieser Begegnung auf seinen eigenen Füßen zu stehen. Also stieg er von dem Schild. Ich weiß nicht wie, denn es muss die
reine Qual gewesen sein, aber er zwang sich zum Humpeln, und alle paar Schritte ruhte er sich auf den Speer gestützt aus,
den er als Krücke benutzte. Ich sah den Schmerz, aber ich sah auch den Stolz, der nicht zuließ, dass er in Guthreds Anwesenheit
getragen wurde.
So ging er also auf uns zu. Er zuckte bei jedem Schritt zusammen, aber seine Kühnheit und sein Zorn hatten ihn dennoch nicht
verlassen. Ich hatte ihn nie zuvor gesehen, denn er war in Irland aufgewachsen, aber er sah genauso aus wie sein Vater. Genau
wie Ivar der Knochenlose glich er einem wandelnden Gerippe. Er hatte auch das gleiche Totenschädelgesicht mit den tiefliegenden
Augen, das gleiche blonde Haar, das im Nacken zusammengebunden war, |168| und die gleiche bösartige Miene. Und er hatte die gleiche Macht.
Guthred wartete am Eingang des Klosters, und seine Haustruppe bildete zwei Reihen, durch die Ivarr gehen musste. Neben Guthred
standen seine Anführer und gleich daneben Abt Eadred, Pater Hrothweard und die ganzen anderen Geistlichen. Ein Dutzend Schritte
vor Guthred blieb Ivarr stehen, lehnte sich auf seinen Speer und sah uns alle scharf an. Er verwechselte mich mit dem König,
vielleicht weil meine Kettenrüstung und mein Helm so viel besser gearbeitet waren als Guthreds. «Seid Ihr der Junge, der sich
hier König nennt?», wollte er wissen.
«Ich bin der Junge, der Ubba Lothbrokson getötet hat», gab ich zurück. Ubba war Ivarrs Onkel gewesen. Nach meiner höhnischen
Antwort wandte sich mir Ivarr ganz zu, und ich sah ein seltsames, grünes Glitzern in seinen Augen. Er hatte Schlangenaugen
in seinem Totenschädelgesicht. Er konnte verwundet sein und womöglich seine Macht verloren haben, aber in diesem Moment war
sein einziger Wunsch der, mich zu töten.
«Und Ihr seid?», forderte er Auskunft.
«Ihr wisst, wer ich bin», sagte ich verächtlich. Überheblichkeit ist eben alles für einen jungen Krieger.
Guthred packte mich am Arm, wie um mich zum Schweigen zu bringen, dann trat er einen Schritt vor. «Herr Ivarr», sagte er,
«es bekümmert mich, dass Ihr verwundet seid.»
Dafür hatte Ivarr nur Spott übrig. «Ihr solltet froh darüber sein», sagte er, «und bekümmert, dass ich nicht tot bin. Ihr
seid Guthred?»
«Ich bedaure, dass Ihr verwundet seid, Herr», sagte Guthred, «und ich bedaure die Männer, die Ihr verloren habt, und froh
bin ich über die Feinde, die Ihr habt sterben lassen. Wir schulden Euch Dank.» Er trat zurück und sah |169| über Ivarrs Schulter zu unserer Streitmacht, die sich an der Straße versammelt hatte. «Er hat eine Gefahr für unseren Norden
unschädlich gemacht! König Aed ist nach Hause gehumpelt, um über seine Verluste zu jammern und die schottischen Witwen zu
trösten!»
Die Wahrheit lautete natürlich, dass Ivarr humpelte und Aed gewonnen hatte, aber Guthreds Worte sorgten für Jubel, und dieser
Jubel verwunderte Ivarr. Er musste erwartet haben, dass Guthred ihn tötete, und genau das hätte Guthred auch tun sollen, stattdessen
behandelte er Ivarr mit allen Ehren.
«Bringt den Bastard um», murmelte ich Guthred zu.
Es sah mich so überrascht an, als habe er noch nie von so etwas gehört. «Warum?», fragte er leise.
«Bringt ihn einfach um», drängte ich, «und diese Ratte von einem Sohn gleich dazu.»
«Ihr seid ja besessen vom Töten», sagte Guthred belustigt. Ich sah, dass Ivarr uns beobachtete, er musste gewusst haben, was
ich zu Guthred gesagt hatte. «Ihr seid willkommen, Herr Ivarr», Guthred hatte
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