Die Herren vom Berge: Historischer Kriminalroman (German Edition)
klar?«
Den jungen Leuten blieb nichts anderes übrig, als die Mission anzunehmen. Heilwig war zufrieden, auch wenn sie der Sache nicht ganz traute. Aber sie hoffte und würde darum beten, dass die beiden es schafften.
Einen heiklen Punkt musste sie aber noch ansprechen. »Ihr beide seid nicht verheiratet, aber die Leute im Ort beim Schalksberg und in Minden sollen das denken. Deshalb ist es wichtig, dass ihr zumindest in der Öffentlichkeit Frieden haltet. Ihr müsst den Eindruck eines jungen Ehepaares erwecken.«
Ludolf musste grinsen und konnte sich die Bemerkung nicht verkneifen: »Es gibt genug Verheiratete, die sich den ganzen Tag lang anschnauzen.«
»Gar nicht witzig«, zischte Agnes.
»Finde ich doch. Bei uns ist es weder eine Liebesheirat noch eine Vernunftehe, sondern eine Zwangsvermählung. So etwas gibt es doch eigentlich nur im hohen Adel, bei Markgrafen, Kaisern und Königen. Also sind wir gerade geadelt worden.«
Die Äbtissin musste gegen ihren Willen lächeln. Er war frech und vorlaut, aber er konnte wenigstens über sich selbst lachen. Besäße doch die junge Frau auch ein wenig von dieser Fähigkeit, dann wäre sie nicht immer so verkrampft und verbissen.
»Stimmt. Aber ich wollte noch auf etwas anderes hinaus. Bitte denkt an die Keuschheit. Ihr seid nicht im heiligen Stand der Ehe. Ich erwarte absolute Selbstbeherrschung.«
»Lieber würde ich mich umbringen«, erwiderte Agnes prompt.
»War das ein Versprechen oder eine Drohung?«, stichelte Ludolf.
Die junge Frau lief wieder rot an. Sie fauchte ihm ins Gesicht: »Ich werde noch auf deinem Grab tanzen!«
»Agnes!« Die Äbtissin war laut geworden. »Es reicht jetzt. Ludolf, halte dich bitte zurück. Du weißt ganz genau, wie Agnes auf deinen Spott reagiert. Und du, liebe Tochter, solltest dich in Beherrschung üben. Heute Abend wirst du Buße tun.«
Die Zurechtgewiesene machte einen Knicks. Schon wieder hatte sie schneller geredet als gedacht. Wie so oft. »Entschuldigt bitte, Hohe Herrin. Ich habe mich vergessen.«
»Auch bei Ludolf.«
Agnes drehte sich ihm zu, sah ihn aber nicht an und entschuldigte sich für ihre böse Zunge.
»Nicht schlimm«, antwortete der kleinlaut. »Denn ich habe mich auch zu entschuldigen. Es war nicht recht von mir, dich so zu reizen. Ich werde mich bemühen, dich in den nächsten Wochen nicht zu ärgern.«
Man hörte einen leisen Dank.
»Wenn ihr nun alles geklärt habt, können wir dann endlich weitermachen?«, fragte Heilwig.
Ohne eine Antwort abzuwarten, übergab sie Agnes das Geld, das der Bischof zurückgelassen hatte. Und der Sohn des Verwalters erhielt die Briefe, mit denen sie sich ausweisen konnten. Die Verantwortung trugen jedoch beide gemeinsam. Sie waren Partner. Das Vorgehen in dieser Angelegenheit war miteinander abzusprechen.
Laut Pachtbrief waren sie das Ehepaar Jost und Luke Scheffer. Von Beruf sollte sich Ludolf als Tischler ausgeben. Auch wenn er keine Ahnung von dem Handwerk hatte, sollte dies kein Problem sein; schließlich ging es nur um zwei Wochen. Schlimmstenfalls wurden die Aufträge eben einfach nicht fertig, bevor das Ehepaar Scheffer wieder fortzog.
Die Äbtissin kam zum Schluss. »Wir haben noch einen Karren mit dem ganzen Hausrat einer Familie im Domhof stehen. Im letzten Winter sind sie alle am Fieber gestorben. Vater, Mutter und drei Kinder. Ein sehr trauriger Fall. Das wird euer Hausrat sein. Ihr bekommt noch ein Zugtier, und morgen früh zieht ihr los. Heute habt ihr noch genug Zeit, eure persönlichen Sachen zu packen. Ist damit alles klar?«
Die jungen Leute nickten nur. Die Äbtissin sah mit Genugtuung, dass die Streithähne jetzt ruhig nebeneinander standen und niedergeschlagen zur Erde schauten. Damit war die Sache wohl geklärt.
»Wäre das jetzt alles?«, erkundigte sich Ludolf. »Ich möchte dann gerne packen.«
Heilwig nickte. »In Ordnung. Du kannst gehen. Wir sehen uns morgen früh.«
Der junge Mann verabschiedete sich und ging zur Tür.
Agnes wandte sich auch um und wollte ebenfalls gehen. Aber die Äbtissin rief sie zurück. »Bitte warte noch einen Moment. Ich wollte dir noch etwas persönlich sagen.«
Die Scholasterin war überrascht. Es war doch schon alles gesagt worden? Gab es noch mehr schlechte Nachrichten? Konnte es denn noch etwas Schlimmeres geben, als mit diesem Taugenichts tagelang durch die Gegend zu ziehen? Am liebsten hätte auch Agnes noch etwas gesagt. Es ging nicht nur um ihre Abneigung gegenüber Ludolf. Aber in ihrem Innern
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