Die Herren vom Berge: Historischer Kriminalroman (German Edition)
wurde eine tief sitzende, ängstliche Stimme immer lauter. Sie hatte ihr ganzes bisheriges Leben in Möllenbeck verbracht – zuerst auf dem Hof der Eltern und nun im Kloster. Sie war noch nie für längere Zeit von hier fort gewesen. Und jetzt sollte sie diesen sicheren und geordneten Ort verlassen? Die festen Zeiten für Gebet und Andacht, für Mahlzeiten und Arbeit? Sie war sich sicher, dass sie das schaffen konnte, aber sie hatte dennoch Angst, dass sie unter der Last der Verantwortung etwas verkehrt machte. Es gab keinen, bei dem sie Rat einholen konnte. Sie vermisste bereits jetzt die Geborgenheit dieses Hauses.
Sie fragte jedoch nur resigniert: »Ja, bitte?«
»Ich weiß, wie schwer es dir fällt, mit Ludolf zusammenzuarbeiten. Es muss sein. Ich tue das nicht, um dich zu ärgern oder dich für etwas zu bestrafen. Aber eine Empfehlung möchte ich dir noch geben. Erinnerst du dich an die Worte aus dem Brief des heiligen Petrus:
Ihr Frauen, seid den eigenen Männern untertan, damit sie, wenn irgendwelche dem Wort ungehorsam sind, durch den Wandel ihrer Frauen ohne ein Wort gewonnen werden mögen, weil sie Augenzeugen eures keuschen Wandels, verbunden mit tiefem Respekt, gewesen sind
.«
Agnes erstarrte. »Wie soll ich das verstehen? Bin ich ab jetzt seine Sklavin?«
»Nein, nein, natürlich nicht«, winkte Heilwig ab. »Ich meine, dass du durch dein Verhalten Ludolf beeinflussen kannst. Entweder zum Guten oder zum Schlechten. Du bist eine kluge, hübsche Frau, du hast doch noch andere Möglichkeiten und Fähigkeiten außer Zanken. Und am Schluss verehrt er wie du Augustinus und nicht seinen Albertus. Wäre das nicht ein Gewinn für uns alle?«
»Hauptsache, er kennt die entsprechenden Worte, die Petrus an die Männer richtete:
Ihr Ehemänner wohnt gleicherweise weiterhin bei ihnen gemäß Erkenntnis, indem ihr ihnen als einem schwächeren Gefäß, dem weiblichen, Ehre zuteil werden lasst
.«
»Stimmt. Das ist eine Sache der Gegenseitigkeit. Hilf ihm doch dabei.«
Der Weg zur Burg
Montag, 5.9.1384
Komm jetzt du, du dickköpfiges Vieh! Sonst wirst du heute Abend noch geschlachtet!« Ludolf war wütend. Er verfluchte diesen elenden Auftrag. Das Maultier war störrisch wie ... ja, wie ein blöder, alter Esel. Warum hatten sie ausgerechnet dieses Tier bekommen? Hätte Ludolf es nicht ständig am Halfter zur Mitte des Weges gezerrt, wäre der Karren schon mehrfach im Graben gelandet.
Am Morgen waren sie zuerst nach Rinteln gezogen, über die dortige Brücke, obwohl der Weg über diese Brücke ein wenig weiter war und Zoll kostete. Die Weser führte durch den starken Regen der letzten Monate noch reichlich Wasser, infolgedessen war die Furt bei Varenholz nicht passierbar. Jetzt kurz nach Mittag hatten sie gerade ein kleines Dorf durchquert.
Dafür war das Wetter umso besser. Es machte Freude, zwischen all dem Grün durch den warmen Vormittag zu gehen. Die Sonne schien, man konnte Vögel und anderes Getier beobachten, dazu die würzige Luft, es hätte so herrlich sein können. Aber Agnes! Sie schritt wie ein Heerführer voran, immer fünf bis zehn Schritte voraus. Sie kümmerte sich nicht um seinen Ärger mit dem Maultier. Sie tat so, als ginge sie das überhaupt nichts an. Manchmal schaute sie verstohlen zurück, um zu sehen, wo die Nachhut blieb, und passte ihren Schritt dementsprechend an. Sie zeigte sehr deutlich, wie viel Wert sie auf ein Gespräch legte. Ihr dunkles, fast schwarzes Haar wehte im Wind, schillerte in den Sonnenstrahlen. Im Gegensatz zum Stift, wo sie es immer unter einer Haube versteckte, hatte Agnes ihre Haare heute offen gelassen.
Ludolf gefiel das viel besser. Auch sonst schaute er gerne hinter ihr her. Sie bot einen netten Anblick. Agnes hatte nicht ihre übliche Nonnentracht an. Trotzdem war ihr Kleid so lang wie sonst, und das Hemd, das sie trotz der Hitze noch trug, war züchtig bis zum Hals geschlossen. Wenn die Frau nicht so biestig gewesen wäre, hätte sie ihm gut als Eheweib gefallen können. Vorausgesetzt, man konnte ihr freches Mundwerk vorher verkaufen, erschlagen, herausschneiden oder sonst wie entfernen. Wegen der dunklen Haare und ihres aufbrausenden Wesens wurde sie auf dem Domhof die schwarze Hexe genannt – natürlich nur hinter vorgehaltener Hand.
Die Tochter aus dem Hause Ecksten war ehrgeizig. Obwohl sie aus einer einfachen Ritterfamilie stammte, und damit aus dem unteren Adel, wollte sie hoch aufsteigen, so hoch wie eine gebürtige Herrin. Das würde sie
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