Die Herren vom Berge: Historischer Kriminalroman (German Edition)
spricht nur, dass er von seiner Schwägerin abgewiesen wurde und dass er an dem traurigen Sonntag ebenfalls auf der anderen Weserseite war.«
Der Dompropst Simon vom Berge meldete sich zu Wort. »Wir danken Euch, lieber Pater. Aber wer in aller Welt ist denn nun der Mörder der Frau?«
Ludolf wischte sich den Rest des Blutes ab. Der Amtmann hatte ganz schön zugeschlagen. Hoffentlich hatte sich kein Zahn gelöst. Eine aufgeplatzte Lippe oder eine dicke Nase heilten wieder in einigen Tagen. »Bitte noch einen Augenblick. Wir müssen das alles der Reihe nach erzählen, damit es einleuchtend wird. Noch ein wenig Geduld.«
Ludolf stand auf, Agnes half ihm. Er lehnte sich an die Wand am Fenster.
Agnes fragte: »Soll ich weitermachen? Dann kannst du dich noch ein wenig ausruhen.«
Er nickte nur.
Das Geheimnis der Steuerlisten
Agnes ging zum Bischof hinüber, der noch immer mit seinen beiden Brüdern und den anderen Männern über das gerade Gehörte und Gesehene sprach. Diese waren außer sich.
»Meine Herren«, sie verneigte sich leicht. Mit Verblüffung bemerkte sie, wie sie Ludolfs Eigenheiten übernahm. So distanziert hatte sie noch nie hohe Herrschaften angesprochen. Hoffentlich war sein beißender Spott nicht ansteckend. »Meine Herren, bevor wir zum Mord an Kuneke Wiegand kommen, sollten wir noch auf einen Betrug zu sprechen kommen. Dieser ist nämlich der Grund, warum der Amtmann Resenbach im Streit mit ihr lag.«
Der immer noch am Boden gefesselt Liegende schrie wieder los. »Das ist eine verdammte Lüge! Kuneke war ein Störenfried! Sie hat versucht, die Männer zu verführen! Ich musste sie in ihre Schranken weisen!«
Ehe der Bischof noch etwas sagen konnte, war Wedekind aufgesprungen. Schneller als man es dem alten, gebrechlichen Mann zutraute, war er neben Josef Resenbach, riss ihn an den Haaren hoch. Seine Augen blitzten bedrohlich. »Wenn du nicht bald Ruhe gibst, schneide ich dir eigenhändig die Kehle durch. Wie kannst du es wagen, einer ehrlichen und anständigen Frau solche Gemeinheiten anzuhängen?«
Wimmernd kam die Antwort. »Bitte habt Erbarmen, edelster Fürst. Alle wollen mir nur Schlechtes antun. Ich habe Euch immer treu gedient und vor Schaden bewahrt.«
»Wenn’s sich ausgezahlt hat.«
»Bitte, vergrößert nicht noch meinen Schmerz.«
»Ruhe! Das Mädchen soll fortfahren.«
Wedekind ließ den Kopf des Amtmanns los, sodass dieser hart auf dem Boden knallte.
Agnes erzählte, dass ihnen schon bei ihrer Ankunft aufgefallen war, wie unbeliebt der Amtmann in ihrem Dorfe war. Viele wünschten ihm den Tod an den Hals, er war rücksichtslos und unbarmherzig nur auf seinen Vorteil bedacht. Im Verlaufe ihrer Nachforschungen war ihnen zugetragen worden, dass Josef Resenbach verzweifelt versuchte, irgendwelche Listen, die noch vom verstorbenen Amtmann Wiegand stammten, in seinen Besitz zu bringen. Dabei schreckte er auch vor Drohungen gegen Kuneke, bei der er diese Listen vermutete, nicht zurück. Nachdem Kuneke verschwunden war, wollte Resenbach verhindern, dass nach ihr gesucht wurde. Doch als plötzlich der Schmied als Mörder in Betracht kam, wurde er sehr eifrig. Wollte er davon ablenken, dass er, Resenbach, aus ihrem Tod Vorteile zog? Kunekes Mutter fand die Listen schließlich in ihrem Haus.
Agnes ging zu ihrem kleinen Beutel, der in einer der Fensternischen neben Ludolf auf dem Boden lag, und holte die Papiere. Sie überreichte zwei Blätter davon dem Bischof.
»Wie Ihr sehen werdet, sind es zusammengehörige Listen aus dem Jahre 1381. Eine mit den Abgaben für die Vogtei, eine über die Abgaben an das Domkapitel. Es geht dabei nur um das Dorf Neesen. Sehr verehrter Kustos von Ilse: Bitte verzeiht uns einen kleinen Diebstahl. Die eine Liste habt Ihr gestern Ludolf gezeigt. Weil er dabei eine wichtige Entdeckung machte, hat er sie ... Na, sagen wir, er hat sie ausgeliehen. Nach unserer Sitzung soll sie wieder zurück in die Obhut des Domkapitels, wo sie hingehört.«
Der angesprochene Pater machte ein erstauntes Gesicht, versuchte aber, einen versöhnlichen Ton anzuschlagen. »Das ist verzeihlich. Wenn es der Wahrheitsfindung und der Gerechtigkeit dient, soll es gut sein.«
»Danke für Euer Verständnis. Auf beiden Listen finden sich die gleichen Höfe und die gleichen Abgaben. Jede Liste für sich stimmt.«
Die Listen wanderten inzwischen weiter zu Wedekind. Der wusste aber nicht so recht, was er damit anfangen sollte. Er wendete sie hin und her und gab sie dann seinem
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